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27. November 2007

 

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

Veröffentlicht vom Berliner Wassertisch, November 2007

Zwischen Gemeinwohl und Profitinteresse:
Erfahrungen bei der Teilprivatisierung
der Wasserwirtschaft in Berlin

Gesetze manipuliert – Öffentlichkeit belogen – Ost-West-Wasserbetriebe wiedervereinigt um sie zu verschenken? Schwarze Pumpe nicht verschenkt, sondern für einen Euro verkauft.

 

Das Scheitern der Privatisierung städtischer Wasserversorgungssysteme in Entwicklungsländern wie in Manila (Philippinen), Cochabamba (Bolivien) oder Buenos Aires (Argentinien) wird oft mit der Verhandlungsschwäche der dortigen Regierungen, mit ungenügenden gesetzlichen Rahmenbedingungen und der mangelhaften Regulierungs- kapazität dieser Länder erklärt. In den Industrieländern dagegen - so eine weit verbreitete Annahme, kommen diese Probleme nicht vor. Die Erfahrungen einer großen Teilprivatisierung in der Metropole eines europäischen Kernlandes, in Berlin, zeigen jedoch, dass viele Problemlagen sehr ähnlich sind, wie zum Beispiel die fehlende Transparenz und der Ausschluss zivilgesellschaftlicher Beteiligung an den Verhandlungsprozessen, die Nicht-Öffentlichkeit der Vertragswerke, der manipulative Umgang mit gesetzlichen Vorgaben und schließlich die einseitige Vorteilssicherung für die beteiligten Konzerne zu Lasten des öffentlichen Interesses.

Die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) unterstützt als Durch- führungsorganisation der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit zahlreiche Modernisierungs- und Privatisierungsprozesse von Basisinfrastruktureinrichtungen in den Ländern des Südens. Dabei hätten nach Meinung der GTZ selbst "traditionell als Öffentliche Güter eingestufte Dienstleistungen" wie die Wasserversorgung ihre "Marktfähigkeit" bewiesen. Wichtige Erfahrungen für die Beratungsleistungen in den "Entwicklungsländern" seien in Deutschland bei der Eingliederung der "Neuen Bundesländer" der ehemaligen DDR gemacht worden.

Die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe

 

Der folgende Beitrag schildert die Umstände und alarmierenden Ergebnisse rund um eine dieser angeblich Beispiel gebenden Erfahrungen – die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe, Europas und Deutschlands größtem Wasserunternehmen.

Die Teilung der Stadt Berlin in Folge des Zweiten Weltkriegs führte 1949 auch zur Trennung der Wasserwirtschaft in Ost- und Westbetriebe. Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 wurden die getrennten Wasserbetriebe zum 1.Januar 1992 wieder zusammengeführt. Heute versorgen neun moderne Wasserwerke die Stadt mit Trinkwasser, welches aus über 800 Brunnen dem Grundwasser entnommen wird. Durch 7.800 km Rohrleitungen gelangt es schließlich zu den Verbrauchern. Ein Netz von 9.220 km Abwasserkanälen - das entspricht der Entfernung von Berlin bis Peking - gewährleistet die Entsorgung. Über die Kanalisation gelangt das Abwasser zu 146 über das Stadtgebiet verteilten Abwasserpumpwerken, durch die es zu sechs Klärwerken gelangt, die die reinigende Aufgabe der früheren Rieselfelder übernommen haben. Mit dieser gewaltigen Infrastruktur stellen die Berliner Wasserbetriebe (BWB) für rund 3,7 Millionen Menschen eine existentielle Einrichtung dar. Zudem erwirtschaftete das kommunale Wasserunternehmen vor der Teilprivatisierung Jahr für Jahr Millionenbeträge, die als Einnahmen in die Haushaltskasse Berlins gespült wurden.

Es stellt sich also die Frage, warum ein solch gut funktionierender und einträglicher Betrieb verkauft wird.

An mangelnder Wasserqualität oder Quantität kann es nicht gelegen haben, die wurde von niemandem in Frage gestellt. Serviceleistungen und Kundenbetreuung gaben ebenfalls kaum Anlass für Beschwerden. Bleibt das immer wieder zu hörende Argument der leeren Haushaltskassen in Berlin. Das scheint zunächst plausibel, ist aber nicht die eigentliche Ursache.

Die entscheidenden Impulse für den Verkauf der kommunalen Wasserunternehmen sind vielmehr im Expansionsdrang der großen sogenannten Multi Utility-Unternehmen zu finden, die nach immer neuen Anlagemöglichkeiten suchen, sowie in der die globale Ökonomie prägenden Ideologie des sogenannten Neoliberalismus. Demzufolge werden Privatisierung oder Teilprivatisierung seit den 80er Jahren als Modell propagiert und der Staat zieht sich mehr und mehr aus den Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge zurück. Die Vorreiterrolle in Europa nahm Großbritannien ein. Unter Margaret Thatcher wurde die bis dahin kommunale Wasserwirtschaft in Regionalunternehmen zusammengefasst und bereits 1989 komplett privatisiert.

Die Bilanz nach zehn Jahren ist erschreckend: Die Verbraucherpreise haben sich von 1989 bis 1999 durchschnittlich von jährlich 120 auf 242 Pfund verdoppelt, im gleichen Zeitraum gingen rund 9.000 Arbeitsplätze verloren, im Trockenjahr 1995 kam es zu Versorgungskrisen und notwendige Investitionen bleiben aus, so dass auch die Wasserqualität tendenziell abnimmt. Auf der anderen Seite konnten Konzerne wie Severn Trent Water innerhalb von zehn Jahren ihre Gewinne mehr als verdoppeln.

Ein "Privatisierungs-Meisterstück"

In Berlin wurde die Privatisierung kommunaler Betriebe zunächst unter dem Leitbild des "schlanken Staates" propagiert, wie es der damalige Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 25. November 1995 auf den Punkt brachte: "Es geht um Ordnungspolitik und einen schlanken Staat". In der SPD war die ordnungspolitische Argumentation nicht mehrheitsfähig und der damalige regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) bemerkte sehr treffend: "Bei der SPD kommt man nur über die Spardiskussion an die Privatisierung heran." Er sollte Recht behalten. Mit der seit 1996 obersten Finanzverwalterin des Berliner Senats, Annette Fugmann-Heesing (SPD), kippte die Stimmung in der SPD. Mit dem angeblichen Sachzwang zum Sparen gewann die neue Finanzsenatorin in kurzer Zeit die Mehrheit innerhalb ihrer Partei für den gewünschten Privatisierungskurs. Nichts war mehr sicher: Gas- oder Stromversorgung, Messe, Wohnungsbaugesellschaften oder Krankenhäuser - es wurde alles verkauft, was der privaten Wirtschaft Gewinne versprach.

"Sie kam, sah und verkaufte", titelte die Berliner Morgenpost am 16. August 1997: "Annette Fugmann-Heesing wird als Privatisierungssenatorin in die Geschichte Berlins eingehen. Seit die SPD-Politikerin im Januar 1996 das Finanzressort übernommen hat, ist das Tafelsilber nicht mehr sicher. Alte Tabus und Grundsätze der Sozialdemokraten werden mit dem Rechenschieber über den Haufen geworfen."

In Vorbereitung auf die Privatisierung waren die Wasserbetriebe bereits zum Januar 1994 von einem Eigenbetrieb, bei dem eine private Kapitalbeteiligung nicht möglich ist, in eine Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt worden. Dadurch erhielt der kommunale Betrieb die rechtliche Möglichkeit eigenständigen unternehmerischen Handelns, womit die Voraussetzung für die Teilprivatisierung geschaffen war.

Nachdem der SPD/CDU-Senat am 7. Juli 1998 die Teilprivatisierung beschlossen hatte, machte das Berliner Abgeordnetenhaus am 29. April 1999 den Weg endgültig frei. Gegen die Stimmen der Opposition von PDS und Grünen sowie einiger Abgeordneter aus SPD und CDU wurde der Antrag über die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe "mit großer Mehrheit angenommen", wie es im Wortprotokoll zu dieser entscheidenden zweiten Lesung heißt. Während SPD und CDU zuvor die Vorteile der Teilprivatisierung be- schworen, stellten im Verlauf der Lesung vor allem PDS- und Grünen-Abgeordnete die negativen Folgen der Teilprivatisierung sowie mögliche Alternativen ausführlich dar: "Es gäbe finanzpolitisch und ordnungspolitisch auch die Alternative einer Konzessionsabgabe", wie Frau Dr. Schreyer von den Grünen darlegte und ihre Rede mit den Sätzen enden ließ:

"Die Privatisierung ist ordnungspolitisch der falsche Weg, weil sie ein privates Monopol schafft, und finanzpolitisch ist es der falsche Weg, und er wird dazu führen, dass die Wasserpreise rapide ansteigen. Und dieser Weg gefährdet Tausende von Arbeitsplätzen in Berlin."

Die Abgeordnete Schreyer sollte genauso Recht behalten wie Gerlinde Schermer von der SPD-Minderheit, die bezüglich der absehbaren Preiserhöhungen resümierte: "es kommt nicht so sehr darauf an, die Preise zu kontrollieren, sondern die Profite, die hier herausgezogen werden."

All diese Mahnungen drangen kaum an die Ohren der Öffentlichkeit. Die Bevölkerung wurde durch die Zeitungsmeldungen beruhigt, dass es bis 31. Dezember 2003 keine Preiserhöhungen und betriebsbedingte Kündigungen geben würde und dass zudem der Berliner Haushalt durch den Verkaufserlös erheblich entlastet würde.

Lediglich die damalige Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr ÖTV (jetzt Verdi) hatte im Vorfeld des Verkaufs ihren Protest auf die Straße getragen. Sie organisierte einen Demonstrationszug mit über 7.000 ArbeiterInnen und Angestellten, an dem sich auch Beschäftigte anderer von Privatisierung bedrohter Betriebe beteiligten. Quer durch Berlin führte die Demonstration zur Deutschlandhalle, wo eine Gesamtpersonalversammlung abgehalten wurde. Insbesondere gegen die SPD und ihre Finanzsenatorin Fugmann-Heesing richtete sich die offenkundige Wut der Beschäftigten. Der SPD-Fraktionsvorsitzende, Klaus Böger, der sich noch ein halbes Jahr zuvor für den Erhalt der Wasserbetriebe als Anstalt öffentlichen Rechts ausgesprochen hatte, wurde wegen seines Umschwenkens bei seinem Auftritt vor der Versammlung minutenlang ausgepfiffen.

Gegen die große Koalition der Privatisierungsbefürworter aus SPD und CDU hatte der gewerkschaftliche Protest indes zu wenig Druck entwickelt, um alternative Konzepte überhaupt in Position zu bringen. Gesellschaftlich durchgesetzt hatte sich bereits das Bild, dass es keinerlei Alternative zu Privatisierungen gebe und kommunale Daseinsvorsorge ein Relikt vergangener Zeiten sei, wie die Tageszeitung Berliner Morgenpost am 21. Mai 2002 vermeldete: Der Senat solle sich doch endlich von seinem Unternehmensbesitz trennen, denn das Land halte seine Anteile schließlich "unter anderem wegen der Idee, die Kontrolle darüber zu behalten, wer die Bevölkerung versorgt - eine Vorstellung aus dem 19. Jahrhundert".

Schließlich gingen 1999 nach einem internationalen Investorenauswahlverfahren durch die Investmentbank Merill Lynch 49,9 % der Betriebs-Anteile der Berliner Wasserwerke für 1,687 Mrd. Euro an ein Konsortium des deutschen RWE- Konzerns und der französischen Vivendi - heute Veolia, die zweit- und drittgrößten Wasserkonzerne der Welt. Zunächst war auch noch der Allianz Versicherungskonzern beteiligt, der sich aber 2002 aus dem Geschäft zurückzog und seine Anteile zu gleichen Teilen an RWE und Vivendi verkaufte. Es entstand die Berlinwasser Holding AG, unter deren Dach die Berliner Wasserbetriebe als Anstalt des öffentlichen Rechts mit anderen -zuvor aus den BWB ausgegliederten - Gesellschaften zusammengefasst wurden.

Sowohl an der Holding als auch an den Wasserbetrieben hält das Land Berlin bis heute 50,1 Prozent. Finanzsenatorin Fugmann-Heesing stilisierte diese Holding zu einem Modell mit "bundesweitem Pilotcharakter", während Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU) eine "hervorragende
Ausgangsposition" erkannte, um die "enormen Wachstumspotenziale" im Ausland zu nutzen. Der damalige Bürgermeister Eberhard Diepgen gratulierte den beiden Senatoren noch während der Senatssitzung zu diesem "Privatisierungs-Meisterstück".

Die Mehrzahl der Berliner Abgeordneten haben die näheren Vertragsbestimmungen offen- sichtlich bis heute nicht zur Kenntnis genommen oder sie ignorierten bewusst die offensichtlich drohenden bzw. bereits eingetretenen negativen Folgen für das Land Berlin und die Verbraucher. Ansonsten hätten sie der Novellierung des Teilprivatisierungsgesetzes,
welches die Gewinngarantie für die Konzerne weiter festschreibt, im Dezember 2003 niemals zustimmen dürfen.

Eine verheerende Bilanz

Verbunden mit der Teilprivatiserung war eine Reihe ehrgeiziger Pläne unter dem Dach der neu geschaffenen Berlinwasser Holding. Diese endeten nicht nur fast vollständig in einer Serie von Pleiten, sondern kamen die Steuerzahlenden des Landes Berlin zusätzlich teuer zu stehen.

Schon im Jahre Fünf nach der Teilprivatisierung stützt sich die Gesellschaft, die zunächst als Holding vier strategische Geschäftsfelder (Betriebe, International, Multi Utility und Dienstleistungen) umfasste, nur noch auf ihr Kerngeschäft, die Wasserver- und Abwasser- entsorgung in Berlin und alle wassernahen Dienstleistungen, die damit verbunden sind:

  • Die 2001 gegründete Tochtergesellschaft Avida GmbH, mit der die Holding ins Multi-Utility-Geschäft einsteigen wollte, war ein "Schlag ins Wasser", wie die Berliner Morgenpost im Dezember 2001 titelte. Bereits nach wenigen Wochen musste die Gesellschaft wegen mangelnder Nachfrage an Komplett- angeboten von Strom und Telefon abgewickelt werden.

  • Auch die Berlikomm konnte nicht annähernd die prognostizierten Erfolgsergebnisse erzielen. In den Zusatzvereinbarungen zur Teilprivatisierung hatte es geheißen: "Außerdem haben sich die Investoren verpflichtet, in der BerliKomm Telekommunikationsgesellschaft mbH bis zum 31. Dezember 2009 unter bestimmten Bedingungen 700 neue Arbeitsplätze zu schaffen." Laut Jochen Esser, dem finanzpolitischen Sprecher der Grünen, hatte der Telekommunikationsanbieter bis 2002 über 100 Millionen Euro Verluste angehäuft. Erst langsam befindet sich die Gesellschaft auf dem Weg in die schwarzen Zahlen. An neue Arbeitsplätze war nicht zu denken, die Berlikomm wurde im Juli 2004 an den niederländischen Telekommunikationskonzern Versatel für knapp 35 Millionen Euro verkauft. Von den 160 Arbeitsplätzen sollen 150 bis zum Jahre 2005 gesichert bleiben. Um diesen Verkauf zu ermöglichen, hatten die Gesellschafter, sprich RWE/Veolia und das Land Berlin, 150 Millionen Euro der aufgelaufenen Schulden übernehmen müssen.

  • Das größte Sorgenkind der Holding stellte von Beginn an die Müllverwertungsgesellschaft SVZ "Schwarze Pumpe" dar. Im Juli 2000 meldete die Berlinwasser-Gruppe den Verkauf der SVZ an den US-amerikanischen Konzern Global Energy. Mit dem Erlös sollten laut Vorstand "erhebliche finanzielle Ressourcen für strategische Investitionen in die Kerngeschäftsfelder des Konzerns" freigesetzt werden. Dummerweise blieb der US-Konzern den ausgehandelten Preis von 107 Mio. Euro schuldig. Der Deal platzte. Trotzdem wurde der Verkaufserlös im Geschäftsbericht der Holding für das Jahr 2000 als außerordentlicher Ertrag verbucht und anteilig an die Aktionäre ausgeschüttet, sowie die SVZ-Kredite ausgebucht. Dadurch war klar, dass die Bilanz der Holding für 2001 entsprechend schlecht ausfallen würde - allein das SVZ schlug mit 385 Mio. Euro negativ zu Buche. Um die drohende Insolvenz der Holding zu verhindern, haben sich RWE/Vivendi (Veolia) und der Berliner Senat darauf verständigt, mit einer Bürgschaft in Höhe von 316 Mio. Euro frisches Geld in das Unternehmen zu pumpen. Eine Hälfte davon - 158 Mio. Euro - hatte der Berliner Senat aufzubringen. Ein "verlorener Zuschuss", wie Jochen Esser seinerzeit bemerkte. Im Juli 2002 wurde die SVZ schließlich für einen Euro verkauft.

Fragwürdige Subventionen

Zu den Zusicherungen der privaten Investoren gehörte laut Vertrag, "dass die RWE-Gruppe und die VIVENDI-Gruppe Unternehmenszentralen, Firmensitze und Niederlassungen zum Teil namhafter Unternehmen nach Berlin verlegen. Durch die Verlegung dieser Firmensitze und Niederlassungen entstehen bis zum 31. Dezember 2000 mindestens 330 Arbeitsplätze, bis zum 31. Dezember 2002 - 530 Arbeitsplätze und bis zum 31. Dezember 2004 730 Arbeitsplätze." Tatsächlich verlagerte Vivendi den Sitz des Tochterunternehmens Universal Music 2001 von Hamburg nach Berlin. 500 Beschäftigte mussten nach Berlin umziehen und die Konzerne hatten fürs erste ihre Schuldigkeit getan. Der Clou an der Geschichte ist jedoch, dass der Umzug der Vivendi-Tochter von der Wirtschaftsförderung Berlin GmbH mit rund 17,9 Millionen Euro gefördert wurde. Eine hohe öffentliche Subvention für die Einhaltung privater vertraglicher Verpflichtungen gegenüber dem Staat, die von Wirtschaftssenator Branoner als großer Erfolg gefeiert wurde.

Gute Geschäfte macht die Holding auch mit ihrer Tochtergesellschaft "Berlinwasser Personalservice GmbH". Mit der im Mai 2000 gegründeten Gesellschaft, die heute Perdie.net heißt, ist der Einstieg in die Leiharbeitsbranche gelungen. Perdie.net übernimmt unter anderem Jugendliche, die zuvor bei den Berliner Wasserbetrieben ihre Ausbildung absolviert haben, und verleiht diese entweder zurück an die Wasserbetriebe oder an Fremdfirmen. Die Arbeitskraft wird so billiger und wurde zudem vom Arbeitsamt Berlin-Mitte mit 130.000 Euro im Jahr 2002 subventioniert.

"R+2" - die Zauberformel der Gewinngarantie

Der "Knüller" für die privatwirtschaftlichen Konzerne ist jedoch die mit dem Senat vereinbarte Gewinngarantie.

Mit einem Umsatz von über einer Milliarde Euro und einem Gewinnvon rund 83 Millionen Euro waren die Berliner Wasserbetriebe 1997 das Juwel der kommunalen Betriebe, an dem auch das Land Berlin gut verdiente. 1997 beliefen sich die Einnahmen durch die Wasserbetriebe auf 168 Mio. Euro.

Heute kommen, trotz einer Beteiligung von 50,1% an der Berlinwasser Holding, die Einnahmen aus dem Berliner Wasser nicht mehr dem Land Berlin zugute. Von 2000 bis 2003 verdienten RWE und Veolia 287 Millionen an der Berlinwasser Holding, während das Land auf einem bilanzierten Verlust von 10 Millionen Euro sitzen blieb. Z.B. ging das Land Berlin im Jahr 2000 durch die beschriebene Pleite der Tochtergesellschaft Schwarze Pumpe (SVZ) nahezu leer aus. Dank der vertraglich garantierten Kapitalverzinsung konnten die privaten Gesellschafter gleichzeitig rund 132 Millionen Euro einstreichen. Die Zauberformel für den Gewinn der Konzerne für die vertraglich festgelegten 28 Jahre lautet R+2, oder in Worten: Garantierter Gewinn = Rendite plus zwei Prozent.

Dieser Passus findet sich im §3 Abs. 4 des Teilprivatisierungsgesetzes (TPrG), welches im Dezember 2003 durch das Abgeordnetenhaus novelliert worden ist. Danach bemisst sich die Rendite "R" nach der durchschnittlichen Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen bezogen auf die jeweils letzten 20 Jahre. Für 2004 entspricht das 6 Prozent. Auf die werden dann gemäß des TPrG noch bis zu zwei Prozent aufgeschlagen, was in der Summe rund 8 % entspricht. Obwohl der Zuschlag von 2 % vom Berliner Verfassungsgericht 1999 als nichtig erklärt worden war, ist das Land Berlin nach § 23 Abs. 7 des Konsortialvertrages mit den Konzernen verpflichtet, die aus diesem Urteil entstandenen Nachteile auszugleichen. Diese Rendite für die privaten Investoren bezieht sich zudem nicht auf den Kaufpreis von 1,687 Mrd. Euro, sondern auf das betriebsnotwendige Kapital, welches heute 3,3 Mrd. € beträgt.

"Dieses ist aber keine feststehende Größe. Es wächst durch eine Neubewertung der Grundstücke und Immobilien", wie Gerlinde Schermer vom Donnerstagskreis der SPD feststellt. Der Rechtsanwalt Groth warnte am 20. November 2003 als Sachverständiger die Berliner Abgeordneten: "Das Klärwerk Ruhleben - jetzt eine willkürliche Zahl -, das heute vielleicht einen Anschaffungsrestwert von 100 Millionen? hat, hat aber einen Wieder- beschaffungszeitrestwert von, sagen wir 150 Millionen ?, weil es heute teurer ist als vor 20Jahren, so etwas zu bauen. (..) Das führt dazu, dass der Kunde, der bisher 100 Millionen Euro betriebsnotwendiges Kapital für Ruhleben verzinst hat, plötzlich Zinsen für 150 Millionen zahlen muss. (...) Dieser Fehler im Gesetzentwurf führt meiner Meinung nach, wenn man die Grundsätze des Verfassungsgerichtsurteils anwendet, wiederum zur Verfassungswidrigkeit...".
Im Kern ging es also um zwei Schachzüge: Zum einen sollte abgesichert werden, dass auchohne Neuinvestitionen jedes Jahr die Berechnungsgrundlage für die garantierten Gewinne automatisch wachsen sollte; zum anderen wurde eine Vereinbarung getroffen, die explizit den Auftrag des Berliner Verfassungsgerichtes umgeht.

Trotz aller Bedenken und Unwägbarkeiten wurde im Dezember 2003 das Teilprivatisierungs- gesetz (TPrG) durch eine Mehrheit im Berliner Abgeordnetenhaus mit diesen Klauseln verabschiedet.

Durch diese Verfahrensweise sind enorme Gebührenerhöhungen vorprogrammiert. Die Preissteigerung von 15 Prozent ab 1. Januar 2004, die für einen kleinen privaten Haushalt etwa 100 Euro Mehrbelastung im Jahr ausmachen, hätte eigentlich das Doppelte betragen sollen. Dies hätte jedoch einen politischen Imageschaden bedeutet, so dass es der Senat vorzog in die Trickkiste zu greifen, indem er auf eine geplante Konzessionszahlung der Wasserbetriebe verzichtete. In der Konsequenz entgehen dem Berliner Stadthaushalt, nicht zuletzt durch die Gewinngarantie für RWE und Veolia, jährlich knapp 54 Millionen Euro Einnahmen.

Preissenkungen durch Privatisierung? Im Gegenteil, auch wenn die Finanzsenatorin Fugmann-Heesing 1999 noch beteuerte: "Wir haben hier in dem Prozess alle notwendigen Voraussetzungen geschaffen, dass wir über die Privatisierung zum einen das Unternehmen wirtschaftlicher machen, und dass wir langfristig auch Gebührensenkungen erreichen können."

Derlei Versprechungen gab es viele, unter anderem sollten Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen werden. Aber auch beschäftigungspolitisch sind die Folgen negativ. Waren vor zehn Jahren noch über 7.000 Beschäftigte bei den Berliner Wasserbetrieben zu zählen, sind es heute nur noch etwas über 5.000. Norbert Oettl, der im Januar 2004 verstorbene frühere Gesamtpersonalrats-Vorsitzende der BWB, ging vor zwei Jahren davon aus, dass bis Ende 2007 nur noch 3.500 Mitarbeiter beschäftigt sein würden. Aufgrund geringerer Ausgaben für die Instandhaltung des Leitungsnetzes gingen nach Angaben des SPD-Abgeordneten Hans-Georg Lorenz zusätzlich noch 8.000 Arbeitsplätze bei lokalen und regionalen Zulieferbetrieben verloren.

Bemerkenswert ist an der aktuellen Situation (Mitte 2004), dass sich seit den letzten Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus die Mehrheitsverhältnisse verändert haben und die PDS seit 2002 mit der SPD den Senat und mit Harald Wolf den Wirtschaftsminister stellt. Die einstige PDS-Opposition bemüht sich heute nur noch um spitzfindige Formulierungen zur Legitimation verfassungsrechtlich fragwürdiger Verträge und einer Politik, die die Rendite der Konzerne auch weiterhin sichert: "Der Mechanismus, wie man mit diesem Vertrag umgeht", so der PDS-Abgeordnete Klaus Lederer, "wird durch reale Kräfteverhältnisse bestimmt. Diese bestehen erstens aus den Finanzen, die das Land hat,zweitens aus der rechtlichen Verhandlungsposition und drittens aus der gesellschaftlichen Stimmung, die in der Stadt existiert. Bisher kenne ich den erklärten politischen Willen zur Rückabwicklung nicht."

Es geht auch anders - das Beispiel Potsdam

Leider wird das Thema Rückabwicklung auch weder von der PDS noch von der Mehrheit der SPD aktiv promoviert, lediglich in der linken SPD-Minderheit ist ein politischer Wille zur Rückabwicklung zu erkennen. In einem Interview erklärte Gerlinde Schermer (linke SPD-Minderheit), warum der Rückkauf der Wasserbetriebe nicht nur gesellschaftlich, sondern auch haushaltspolitisch sinnvoll wäre: "Die volkswirtschaftliche Bilanz wird von den Befürwortern der Privatisierung absichtlich nicht vorgenommen, weil die negativ ausfällt. Aber auch die betriebswirtschaftliche Bilanz fällt in weiten Teilen schlecht aus. Positiv ist nur die Bilanz der Gewinne bei den Konzernen. (...) Der Rückkauf würde rund zwei Milliarden kosten. Bei einem Darlehen mit vier Prozent kommen wir immer noch billiger weg als mit den acht Prozent, die das Land an vertraglich festgelegter Rendite an die Konzerne zahlen muss."

Bislang stehen Schermer und der Donnerstagskreis der SPD mit ihrer Forderung nach Rückkauf recht allein auf dem politischen Parkett Berlins. Dass dieser Zustand nicht so bleiben muss, beweist ein Besuch in der nahe gelegenen Landeshauptstadt Brandenburgs, Potsdam, wo vorexerziert wurde, wie einfach das funktionieren kann: In Potsdam waren von den privaten Betreibern der Wasserbetriebe noch weit höhere Preisaufschläge angekündigt worden als in Berlin.

Die Stadt ließ sich daraufhin nicht lange bitten und machte die Privatisierung kurzerhand rückgängig. Nach nur zweijähriger Zusammenarbeit wurde Ende 1999 die Kooperation mit Eurawasser, einer Tochtergesellschaft des RWE-Konzerns gekündigt. "Innerhalb von 17 Jahren wollte Eurawasser die Gebühren um 100 Prozent erhöhen - trotz sinkendem Wasserbedarf", begründete Karsten Zühlke von der Geschäftsführung des Wasserbetriebs Potsdam diesen Schritt. Da könne man die Arbeit alleine günstiger machen. Die Stadt Potsdam erklärte zu der Vertragsauflösung, dass ein Privatunternehmen wie Eurawasser grundsätzlich Gewinne erzielen wolle und deshalb sei es zu unterschiedlichen Auffassungen bei der Gebührenkalkulation gekommen. Wie hoch die Abfindung für den Konzern ausfiel, ist allerdings nicht verraten worden.

(Autor: Hermann Werle, 2004)


Ergänzung zu diesem Artikel (Nov.2007):

Seit 2004 arbeitet in Berlin die Attac-Arbeitsgruppe 'Argumente der Globalisierungskritiker’ und der 2006 von ihr initiierte „Berliner Wassertisch“ im Zusammenhang von Globalisierung, Privatisierung, internationale Wasserprivatisierung am Thema Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe.

Über ein Volksbegehren sollen die geheimen Verträge zwischen dem SPD/CDU-Senat und RWE/Veolia von 1999 ohne Ausnahmen offengelegt werden und die Geheimhaltung von Verträgen mit privaten Unternehmen durch ein zu schaffendes Gesetz zukünftig verhindert werden. Langfristig angestrebt ist eine noch zu klärende Form der Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe unter dem Motto „Wasser in Bürgerhand“.

Genaueres unter www.berliner-wassertisch.net
Kontakt: Claus.Kittsteiner@gmx.de


 
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