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23. Dezember 2009

 

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 13.12.2009

 

„Wasserbehörden treiben
Kanalrebellen in den Tod“

 

In der ostdeutschen Abwasserwirtschaft mehren sich die menschlichen Tragödien. Betreiber von Pflanzenkläranlagen und anderen Hauskläranlagen fühlen sich von Abwasserverbänden und Unteren Wasserbehörden derart schikaniert, dass die Nerven blank liegen. Trotz exzellenter Reinigungsleistung ihrer Pflanzenkläranlagen werden die „Kanalrebellen“ in immer mehr Fällen mit Polizeigewalt an den Kanal angeschlossen. Um Präzedenzfälle zu vermeiden, wird der Anschluss- und Benutzungszwang von den Behörden rigoros durchgesetzt.

Ein neuerlicher Höhepunkt hat sich am 30. November 2009 in Petershagen in Brandenburg abgespielt. Dort stand die Gerichtsvollzieherin nebst Polizeibegleitung vor der Haustür von Herrn Eberhard Paul. Es sollten angeblich offen stehende Abwasserbeiträge eingetrieben werden – obwohl sich Herr Paul über Jahre hinweg gegen einen Zwangsanschluss an den Kanal gewehrt hatte. Die Auseinandersetzung mit der Gerichtsvollzieherin hatte Herrn Paul offenbar so mitgenommen, dass er am nächsten Tag einen tödlichen Herzinfarkt erlitt. Der Infarkt erfolgte, als Herr Paul gerade einen Text über den Vorfall für seine Homepage verfasste. Bis zum Ausschalten der Homepage konnte man verfolgen, wie der Text abbricht und in einen Buchstabensalat übergeht, weil der Kanalrebell über der Tastatur zusammengebrochen war.

Für die Exponenten der Anhänger der dezentralen Abwasserentsorgung in Ostdeutschland ist klar, dass Herr Paul von den Behörden „zu Tode gehetzt“ worden ist. Auf dem 54. Bürgerinitiativtreffen der sächsischen Abwasserinitiativen am 12. Dez. 2009 in Dresden wurde der jahrelang Kampf von Herrn Paul gegen den Anschluss- und Benutzungszwang mit einer Gedenkminute gewürdigt. Die 50 VertreterInnen der Abwasserinitiativen waren zutiefst erschüttert über den Tod von Herrn Paul.

(Mehr Infos zur desolaten Lage der Abwasserwirtschaft in der ostdeutschen Provinz in den BBU-WASSER-RUNDBRIEFEN Nr. 912/3, 896/1-4, 816/1-2, 794/4, 756/1, 740/4 und 669/3.)


„Tatort Briesensee“

In den Auseinandersetzungen um zwangsweise durchgesetzte Kanalanschlüsse hatte 2008 vor allem das rabiate Vorgehen der Behörden gegen die Ortsvorsteherin der Teilgemeinde Briesensee in Brandenburg auch bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Mit einem beeindruckenden Polizeiaufgebot (einschließlich von fünf mitgebrachten Dixitoiletten für die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr, Johannitern und Abwasserverband) hatten die Behörden am 10. Sept. 2008 das Grundstück von Doris Gröger aufgerollt, um deren Pflanzenkläranlage stillzulegen und stattdessen an den Kanal anzuschließen. Um den Widerstand von Frau Gröger zu brechen, wurde sie von fünf PolizistInnen von ihrem schwer verbarrikadierten Grundstück geschleift und mit einem Gefängniswagen „zur Gefahrenabwehr“ in die Polizeiwache Lübben verfrachtet. Für ihre gut funktionierende Pflanzenkläranlage hatte Frau Gröger im Jahr 2003 den brandenburgischen Landesumweltpreis verliehen bekommen.

Ein 10-minütiges Video über das gewaltsame Vorgehen gegenüber der Ortsvorsteherin kann unter dem Suchbegriff „Tatort Briesensee“ von zahlreichen Homepages heruntergeladen werden – beispielsweise von
http://briesensee.all-your-web.de/vid.html

 

 


Mit „Nutzwasser“ Ostdeutschlands
ausgedörrte Landschaften kühlen
 
 

Angesichts des zeitgleich beginnenden Klimagipfels von Kopenhagen war es für die in Dresden zusammengekommenen BI-VertreterInnen besonders unbegreiflich, dass mit den Zwangsanschlüssen auch eine Stützung des Landschaftswasserhaushaltes verhindert wird.

Die Kanalrebellen verstehen sich auch als klimaschützende Überzeugungstäter. Denn in der Regel wird das gereinigte Abwasser aus den Hauskläranlagen nach einer Zwischenspeicherung in Teichen als „Nutzwasser“ zur Bewässerung eingesetzt oder großflächig versickert. Bei den vorausgesagten Dürren für Ostdeutschland (s. RUNDBR. 846/2) in Folge des Klimawandels erscheint es den Abwasseraktivisten besonders hirnrissig, das Abwasser auf schnellstem Weg über energieverschlingende Zentralkläranlagen den Flüssen zuzuleiten – anstatt das Wasser möglichst lange in der Raumschaft zu halten. Wasser, das von den bewässerten Flächen verdunstet, habe zudem einen Kühleffekt.

 


Kanalrebellen droht
die Zwangsvollstreckung
 

Mit Verbitterung wurde in Dresden auch registriert, dass sich Abwasserverbände in immer mehr Fällen ausstehende Abwasserbeiträge über Einträge ins Grundbuch sichern lassen. Aufgrund sich über Jahre hinziehender Auseinandersetzungen und Gerichtsprozesse sind viele Grundstücksinhaber finanziell so ausgepowert, dass sie gar mehr in der Lage sind, die finanziellen Ansprüche der Abwasserverbände bzw. der gemeindlichen Abwasserbetriebe zu befriedigen.

Typisch für die haarsträubenden Zwangsanschlüsse war auf dem von der LINKS-Fraktion im Dresdener Landtag unterstützen BI-Treffen in Dresden auch der Bericht einer alleinstehenden und arbeitslosen Mutter von drei Kindern. Mit Tränen in den Augen hatte die Mutter geschildert, wie sie wegen eines kostenträchtigen Abwasseranschlusses von Behörden und Abwasserverband
in die Zwangsvollsteckung getrieben wird– „von einer Gesellschaft und einer Politik, die mir gleichzeitig jede Chance auf einen Arbeitsplatz verweigert“.

Weitere Infos über die sich zuspitzenden Abwasserkonflikte im ländlichen Raum in Ostdeutschland über uns oder über

Ortsvorsteherin Doris Gröger
Ortsteil Briesensee
15913 N e u Z a u c h e


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 

 
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