aktualisiert:
12. August 2009

 

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 21.6.2009

 

Denkzettel für Millionenfiasko
bei aquatischen CBL-Geschäften

 

Mit einstelligen Millionenverlusten konnten die beiden größten Fernwasserversorger am 26. März 2008 aus ihren verhängnisvollen Cross-Border-Leasing-Verträgen aussteigen. Die „Landeswasserversorgung“ und die „Bodenseewasserversorgung“ beliefern Stuttgart und zahlreiche weitere württembergische und fränkische Kommunen im Neckar- und Taubereinzugsgebietes mit Trinkwasser.

Das Desaster beim transatlantischen Hin- und Hervermieten der Fernwasserversorgungsanlagen war neben dem umstrittenen Bahnhofsneubauprojekt „Stuttgart21“ mit einer der Gründe für das schlechte Abschneiden der CDU bei den Stuttgarter Kommunalwahlen am 7. Juni 2008. Der Stuttgarter CDU-Oberbürgermeister, WOLFGANG SCHUSTER, trug als Verbandsvorsitzender bei den beiden Fernwasserversorgern die politische Verantwortung für das CBL-Fiasko.

Das Millionendesaster aus den schief gelaufenen Cross-Border-Leasing-Geschäften hängt den beiden kommunalen Zweckverbänden jetzt auch bei der Akquise wie ein Klotz am Bein: Kommunen, die schon seit längerer Zeit über einen Anschluss an die Bodenseewasserversorgung nachdenken, überlegen sich die Bindung an den Fernwasserversorger noch ein Mal. Das Vertrauen in die Kompetenz der kaufmännische Führung der beiden kommunalen Fernwasserversorgungsgesellschaften hat einen empfindlichen Knacks erlitten, so ein württembergischer Landrat in der Stuttgarter Zeitung.

 


Cross Border Leasing
als Karussellgeschäft

 
So genannte Cross-Border-Leasings (CBL) waren vor einigen Jahren gefragte Geschäfte. Insgesamt haben 600 Städte und staatliche Unternehmen in Westeuropa CBL-Geschäfte abgeschlossen, in Deutschland allein um die 150.
Deutsche Infrastrukturbetreiber vermieteten auf längere Zeit ihre millionenteuren Anlagen an amerikanische Investoren und mieteten diese sofort wieder zurück. Noch bis zum Jahr 2004 konnten die amerikanischen Geldanleger nach gültigem US-Recht so in ihrem Land Steuern sparen, dann hat die amerikanische Steu-erbehörde CBL für unzulässig erklärt und den US-Unternehmen empfohlen, vorzeitig aus den Verträgen auszusteigen.
Die US-Investoren hatten vom virtuellen Gewinn bei Abschluss der CBL-Verträge als Bonbon für die deutschen Kommunen und Zweckverbände einen zu meist zweistelligen „Barwertvorteil“ an die deutschen „Partner“ überwiesen. Aber eigentlich diente den US-Banken CBL nur als Vorwand, um in Übersee Kunden anzuwerben und an große Werte zu kommen; mit der Möglichkeit mit den Werten zu handeln oder weitere Geschäfte ab-zusichern.
Bei CBL-Verträgen bleibt nach deutschem Recht die deutsche Kommune Eigentümer und grundsätzlich auch Betreiber, muss aber für die gesamte Laufzeit gegenüber dem US-Investor den Betrieb garantieren. Die von großen US-Anwaltsfirmen ausgehandelten Verträge, die allein nach amerikanischem Recht abgeschlossen wurden, sind teilweise über Tausend Seiten lang und in Fach-Englisch gehalten. Eine Fülle von Ausnahmen, Kündigungsgründen und mehrere Klauseln zu möglichen Vertragsbrüchen, wie beispielsweise die jährliche Berichtspflicht, sind in ihnen enthalten. Auße-dem steht dem US-Investor praktisch das alleinige Kündigungsrecht zu, und die Folgen von Vertragsverletzungen tragen am meisten die Kommunen beziehungsweise die kommunalen Zweckverbände.
Durch die CBL-Geschäfte wird ein Karussellgeschäft in Gang gesetzt: Bei der Vielzahl der beteiligten Banken als Kreditnehmer und –geber wird das Geld während der Laufzeit der Verträge hin- und hergeschoben. Die Geldflüsse sind selbst für interessierte Laien kaum noch nachzuvollziehen. Der Platz in einem BBU-WASSER-RUNDBRIEF reicht schon gar nicht, um CBL im Detail zu erläutern.
Wir haben deshalb am Beispiel der in Baden-Württemberg ab-geschlossenen CBL-Verträge eine ausführliche Chronologie und Dokumentation zusammengestellt, die von AbonnentInnen des RUNDBRIEFS kostenlos via nik@akwasser.de als pdf-Datei unter dem Stichwort „CBL“ angefordert werden kann.
-mh-

Der Untergang der
Fernwasserversorger im CBL-Sumpf

 
Die Auswirkungen der globalen Finanzkrise – insbesondere der Fastbankrott der US-Versicherungsgesellschaft AIG - trafen die beiden größten Fernwasserversorger in Baden-Württemberg wegen ihrer tiefen Verstrickung im Netz der CBL-Verträge schwer:
Die Landeswasserversorgung vermietete im Jahr 2001 ihre Anlagen für 688 Millionen US-Dollar und für 99 Jahre an den damaligen US-Investor First Union Bank, um sie dann zurückzumieten. Der erzielte Barwertvorteil betrug 24,7 Millionen Euro. Ähnlich wie die Landeswasserversorgung verkaufte im Jahr 2002 auch die Bodenseewasserversorgung ihre technische Infrastruktur, wie beispielsweise Pumpwerke, Rohrleitungen und Hochbehälter für 841 Millionen US-Dollar für die gleiche Laufzeit, dem selben Rückkaufsrecht von 30 Jahren und an den selben Investor wie die Landeswasserversorgung. Der Barwertvorteil lag bei ungefähr 35 Millionen Euro.
Bis 12. Dezember 2008 sollten die beiden Zweckverbände den US-Absicherer und inzwischen verstaatlichten Versicherungsriesen AIG (American International Group) austauschen; die Ratingagentur Standard & Poors stufte dessen Bonität massiv zurück. Als neue Sicherheit wollten die Wasserversorger Bürgschaften hinterlegen. Auch über eine Vertragsauflösung wurde schon ernsthaft nachgedacht, doch der angeschlagene US-Investor lehnte dies bis 16. Februar 2009 ab. Also entschieden sich die beiden Verbände für die Deutsche Bank als Ersatzpartner und wollten zur weiteren Absicherung des Geschäftes US-Staatsanleihen kaufen. Zur Diskussion stand auch ein dubioses Dreiecksgeschäft, bei dem zur Absicherung der CBL-Verpflichtungen eine „Stiftung“ in den Niederlanden eingeschaltet werden sollte. Mit den Geldflüsse über die niederländische „Stiftung“ hätten millionenschwere Steuerzahlungen an den deutschen Fiskus vermieden werden sollen.
Nachdem schon die CBL-Geschäfte moralisch anrüchig waren, gerieten die Fernwasserversorger und ihre politische Verbandsführungen erneut in die Kritik: Der offene angekündigte Bereitschaft zur Steuerhinterziehung bescherte ihnen einen neuerlichen Imagetiefpunkt. In hektischen Verhandlungen unter größtem Zeitdruck gelang es dann am 26. März 2009 doch noch, sich aus dem Netz der schier undurchschaubaren CBL-Verträge zu befreien.
Die Auflösung der CBL-Verträge kostete die Bodenseewasserversorgung 50 Millionen Euro. Unter Berücksichtigung des Nettoertrages von 45,3 Millionen Euro aus der Transaktion bis Ende 2008, ergab sich ein Verlust von 4,7 Millionen Euro. Die Landeswasserversorgung verlor 8,4 Millionen Euro. Der US-Investor der Zweckverbände war inzwischen WELLS FARGO, der die ursprünglichen Leasingpartner, die US-Banken FIRST UNION/WACHOVIA, Anfang des Jahres 2009 übernommen hatte.
Die Verluste, die durch die CBL-Geschäfte entstanden sind, werden sich voraussichtlich schon im Jahr 2009 mit einer Umlagenerhöhung von insgesamt 2,9 Cent pro Kubikmeter bei der Bodenseewasserversorgung und von 2 Cent pro Kubikmeter bei der Landeswasserversorgung im Wasserpreis niederschlagen.
Trotz dem Befreiungsschlag gegenüber den US-Investoren ist das CBL-Abenteuer für die beiden kommunalen Fernwasserversorgungsgesellschaft immer noch nicht ganz abgeschlossen: Von der Vertragsauflösung mit dem US-Investor bleiben Unterverträge des CBL-Geschäfts mit den Landesbanken von Baden-Württemberg und Bayern zunächst unbehelligt. Die Landesbanken sind verantwortlich für die Absicherung einer „kleineren“ Summe im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich. Die Landesbank Baden-Württemberg hatte neben einer AIG-Tochter als Fremdkapitalgeber für den US-Investor fungiert. Die Bayerische Landesbank hat noch Ansprüche an eine Fremdkapitalrückzahlung seitens der Bodenseewasserversorgung. Wenn es nicht gelingt, diese Verträge ebenfalls vorzeitig aufzulösen, laufen die Verbindlichkeiten gegenüber den beiden Landesbanken noch über die gesamte CBL-Vertragsdauer von 30 Jahren.
-mh-

Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 

 
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