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1. Januar 2017

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 5.12.2016

EU-Ministerrat wünscht sich
eine nachhaltige Wasserpolitik

 

Am 17. Okt. 2016 hat der EU-Ministerrat unter der Überschrift „Nachhaltige Wasserwirtschaft - Schlussfolgerungen des Rates“ ein Thesenpapier mit „Schlussfolgerungen“ zur wasserpolitischen Zukunft in der EU veröffentlicht. Aufreger für die deutsche Wasserwirtschaft dürfte sein, dass der Ministerrat in seinen aquatischen Nachhaltigkeitsvorstellungen erneut einen Schwerpunkt auf das Wassersparen legt. So betont der Ministerrat u.a. „wie wichtig die nachhaltige Verringerung des Wasserverbrauchs durch die Wirtschaftssektoren und die Bürger der EU“ sei. Deshalb ruft der Ministerrat die Mitgliedstaaten dazu auf,

gegebenenfalls Maßnahmen zur Förderung einer effizienten Nutzung von Wasser in allen relevanten Wirtschaftssektoren zu ergreifen, unter anderem durch Folgendes:

  • Schaffung angemessener Anreize für eine effiziente Nutzung der Wasserres-sourcen über die Gestaltung der Wasserpreise,

  • Investitionen in die Verringerung von Wasserverlusten und Leckagen, (…)

  • Schaffung und Entwicklung ergänzender Wasserversorgungsinfrastrukturen, unter Berücksichtigung der einschlägigen Maßnahmen zur Verhinderung von Wasserknappheit und Dürren und zur Anpassung daran sowie zur Förderung von Wassereffizienz und zur Steuerung der Wassernachfrage,

  • Förderung innovativer Technologien und Verfahren zur Ermöglichung einer nachhaltigen und effizienten Nutzung und Wiederverwendung von Wasser, auch für Bewässerungssysteme, Landwirtschaft, Industrie und Tourismus, (…).“

Die „Schlussfolgerungen“ des Ministerates gibt es zum Download unter
data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-13342-2016-INIT/de/pdf

Ministerrat: Wassersparvorgaben
sollen differenziert gehandhabt werden

 

Die Wasserversorger in Deutschland vertreten die Meinung, dass schon viel zu viel Wasser gespart würde – und dass dies u.a. auf Kosten der Hygiene gehe und die Kosten hochtreiben würde (beispielsweise durch zusätzliche Spülungen im Trinkwasserversorgungsnetz und in der Kanalisation – siehe Kasten unten). Der erste Schreck bei den deutschen Wasserwerkern über die Wassersparvorgaben aus Brüssel dürfte sich allerdings schnell legen. Denn der Ministerrat betont an verschiedenen Stellen in seinen „Schlussfolgerungen“, dass man beim Wassersparen regional differenziert vorgehen werde. So erkennt der Ministerrat an,

dass die Mitgliedstaaten auf spezifische Bedürfnisse und Gegebenheiten ausgerichtete Maßnahmen ergreifen sollten, da einheitliche Lösungen für alle nicht zweckmäßig sind, (…).“

Es ist also nicht zu erwarten, dass den deutschen Wasserversorgern demnächst vom EU-Ministerrat ein rigider Wassersparkurs übergestülpt wird.

Auch die EU-Kommission hatte bereits in einem Schreiben vom 11.07.2013 an den damaligen Bundesratspräsidenten betont, dass die Kommission keineswegs vorhabe, „EU-weite Vorgaben zur Senkung des Wasserverbrauchs vorzuschlagen“. Anlass des besänftigenden Schreibens an Winfried Kretschmann war die Unruhe, die schon damals in der deutschen Wasserpolitik auf Grund des „blueprints“ (s. RUNDBR. 1007/4, 985/4) entstanden war. In dem Thesenpapier zur Weiterentwicklung der Wasserrahmenrichtlinie war bereits im Jahr 2012 betont worden, dass man sich in der EU eines sparsameren und effizienteren Wassergebrauchs befleißigen müsse.

Wer an der Toilettenspülung spart,
muss den Abflussreiniger löhnen

Wasserwerker ärgern sich nicht nur über all zu geiziges Wassersparen. Auch schräge Wassergebührenvergleiche sorgen bei Wasserwerken regelmäßig für Verdruss. Und wenn beides zusammenkommt, ist es mit der guten Laune im Wasserwerk ganz vorbei - so wenn beipielsweise der Tarifvergleicher „netzsieger.de“ ausrechnet, wie unterschiedlich teuer es ist, in verschiedenen deutschen Städten die Klospülung zu betätigen – und das dann im Okt. 16 auch noch ein großes Medieninteresse findet. Siegfried Gendris kommentiert diesen Spülkostenvergleich auf seinem Blog „Lebensraum Wasser“ (s. RUNDBR. 1082/1):

Aber sollte man sich nicht fragen, wozu das Wasser eigentlich da ist. Wasser bedeutet Hygiene. Wer will schon daran sparen? Versicherer beklagen zudem zunehmende Leckagen, weil das Wasser zu lange in den Leitungen steht. Auch die städtischen Abwasserbetriebe müssen immer häufiger mit Trinkwasser die Kanäle spülen, weil Wassersparen die Ressourcen schonen soll. Zahlen muss dann die Allgemeinheit.

Dem vermeintlichen Wasserpreis- und Ersparnisvergleich könnte man einen anderen entgegen setzen: Die Kosten für Abflussreinigung. Was die Netzsieger nicht berücksichtigen, mit jedem gesparten Liter Wasser bei der Beseitigung der Toiletteninhalte steigt auch das Risiko von Verstopfungen der Abwasserleitungen. Zwischen 50 und 200 Euro zahlt der häusliche Toilettennutzer, wenn die Spülvorgänge stocken oder der Abfluss verstopft ist. Natürlich können die Beträge auch deutlich höher werden, wenn der Schaden – wie üblich – am Wochenende auftritt.“

 

EU-Ministerrat für hygienisch
einwandfreies Abwasserrecycling

 

In seinen „Schlussfolgerungen“ zur europäischen Wasserwirtschaftspolitik hebt der Ministerrat ferner hervor, dass Bestandteil einer effizienten Wasserverwendung auch das Abwasserrecycling sein müsse: „Die Wiederverwendung von Wasser“ könne „zusätzlich zu anderen Wassereinspar- und –effizienzmaßnahmen als Teil einer integrierten Wasserwirtschaft ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Wasserknappheit und zur Anpassung an den Klimawandel darstellen“. Der Ministerrat ruft deshalb die Mitgliedstaaten auf,

gegebenenfalls unter Berücksichtigung der regionalen Umstände Maßnahmen zur Förderung von Verfahren zur Wiederverwendung von Wasser zu ergreifen und dabei ein hohes Maß an Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu gewährleisten, da die Wiederverwendung von Wasser zu wirtschaftlichen Einsparungen, Umweltschutz, Ankurbelung von Investitionen in neue Technologien und Schaffung ‚grüner‘ Arbeitsplätze beitragen kann.“

Der Ministerrat betont in diesem Zusammenhang,

dass gut behandeltes kommunales Abwasser für eine Vielzahl von Zwecken in der Landwirtschaft, in der Industrie, in der nachhaltigen Stadtentwicklung und beim Schutz von Ökosystemen wiederverwendet werden kann“.

Der Rat nimmt deshalb auch „mit Interesse die Absicht der Kommission zur Kenntnis, 2017 einen Vorschlag über die Mindestqualitätsanforderungen für wiederverwendetes Wasser in der EU zu unterbreiten“.

Die Absicht, einen EU-Standard zum Abwasserrecycling zu erarbeiten, war ebenfalls schon in dem oben erwähnten „blueprint“ zu lesen gewesen. Da man in der deutschen Wasserpolitik und –wirtschaft dem Abwasserrecycling eher skeptisch gegenüber steht, hatte die EU-Kommission bereits in ihrem Schreiben von 2013 an Winfried Kretschmann versichert, dass bei der Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser „Gesundheits- und Umweltaspekte zu berücksichtigen seien“. Deshalb plane die Kommission die Ausarbeitung „EU-weiter Standards“ für das Abwasserrecycling (vgl. RUNDBR. 942/1-2, 903/1-3, 678/2).

Kryptisch: Was sind
„Wasserzuteilungssysteme“ und „Wasserkonten“?

 

In seinen oben erwähnten „Schlussfolgerungen“ zur künftigen Wasserwirtschaftspolitik will sich der EU-Ministerrat auch für eine „Verbesserung der Systeme für die Wasserzuteilung, einschließlich der Umsetzung von Wasserkonten“ einsetzen. Da rätselt man zunächst: Soll es künftig im Rahmen von Wasserzuteilungssystemen Lebensmittelkarten für den Bezug von Wasser geben? Und was sind „Wasserkonten“. Schlauer wird man, wenn man sich dazu eine Mitteilung der EU-Kommission zur Interpretation des blueprints aus dem Jahr 2012 (Drs. 720/12) anschaut:

In einem ersten Schritt hat die Kommission zusammen mit der EUA [Europäischen Umweltagentur; Anm. BBU] Wasserkonten für Einzugs- und Teileinzugsgebiete eingeführt, die von den Mitgliedstaaten und Interessenträgern im Kontext der Gemeinsamen Durchführungsstrategie (CIS) für die Wasserrahmenrichtlinie zwar noch weiter konkretisiert werden müssen, aber in vielen Einzugsgebieten das ‚fehlende Bindeglied‘ für die Wasserbewirtschaftung darstellen. Sie geben Wasserbewirtschaftern Auskunft über den Wasserzufluss in bzw. den Wasserabfluss aus einem Einzugsgebiet und über die Wassermengen, die voraussichtlich zur Zuteilung zur Verfügung stehen werden. Wasserkonten schließen insofern eine Lücke, als sie Informationen liefern, die bisher nur fragmentiert und vereinzelt zur Verfügung standen.

Sofern sie sich durchsetzen, könnten Wasserkonten nachhaltig dazu beitragen, das Problem der Wasserknappheit zu lösen, indem beispielsweise strukturell bedingter und sporadisch auftretender Wasserstress genauer untersucht und ein besserer Überblick über Wasserressourcenindikatoren gewonnen wird. Sie sind eng an die Ermittlung der ökologisch erforderlichen Mindestwassermenge geknüpft, denn sie dürften dafür sorgen, dass die Bedürfnisse der Natur respektiert werden und dass sich das Wassergleichgewicht eines Einzugsgebiets in nachhaltigen Grenzen hält.“

Ein Wasserkonto ist also eine Bilanzierung, wie viel Wasser in einem Flusseinzugsgebiet sowohl für die Nutzung durch den Menschen als auch für den Bedarf der Natur zur Verfügung steht. Basierend auf dieser Wassermengenbilanz kann dann in Wassermangelregionen beispielsweise bestimmt werden, wie viel Wasser bestimmten Nutzergruppen (beispielsweise Bewässerungswasser für die Landwirtschaft oder Kühlwasser für thermische Kraftwerke) „zugeteilt“ werden kann (siehe Kasten).

Wie viel Wasser ist noch auf dem Konto?

Mehr zu Wasserkonten und Wasserzuteilungssystemen kann man im EEA-Report 11/2012 der Europäischen Umweltagentur mit dem Titel „Water resources in Europe in the context of vulnerability“ nachlesen – herunterladbar unter:

http://www.eea.europa.eu/publications/water-resources-and-vulnerability?&utm_campaign
=water-resources-and-vulnerability&utm_
medium=email&utm_source=EEASubscriptions

Dort heißt es auf Seite 6:

Like financial accounts, water accounts will help water managers to better control water resources in their area. (…) Instead of annual data, water accounts should be updated monthly to take into consideration the seasonal variations in water flow.“

Und auf S. 76 wird nochmals betont, dass es wichtig sei, den „Kontostand“ mindestens monatlich und möglichst kleinräumig abrufen zu können:

Water scarcity is for most areas a seasonal pro-blem, occurring during summer when water demand is highest (e.g. for agriculture) and availability is low. For this reason, (…) the European Commission and the EEA developed a water accounting methodology on monthly and sub-basin data scales based on more extensive data flows.“

 

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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