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19. April 2019

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 4. April 2019

Wasserdialog 2050:
Die Wasserwirtschaft zukunftsfähig machen!

 

Muss man die deutsche Wasserwirtschaft vom Kopf auf die Füße stellen, damit sie für die Herausforderungen bis 2050 gewappnet ist? Das war eine der Fragen, die zu Beginn des „Nationalen Wasserdialogs“ im Herbst 2018 andiskutiert worden war. Gestartet wurde der breit angelegte Stakeholder-Dialog am 16. Okt. 2018 von der Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) in Berlin. In Anwesenheit fast aller, die in der deutschen Wasserwirtschaft Rang und Namen haben, wurde erörtert, was notwendig und wünschenswert wäre, um noch in dieser Legislaturperiode eine langfristig angelegte Wasserstrategie auf den Weg zu bringen. Am 27. und 28. März 2019 wurde die im Okt. 2018 begonnene Generaldebatte in vier thematischen Workshop-Veranstal-tungen - ebenfalls in Berlin - fortgeführt. Der WASSER-RUNDBRIEF informiert nachstehend über die Highlights der angelaufenen Debatte.

Nationale Wasserstrategie:
Das letzte Wort hat das BMU

 

In ihrer Begrüßungsrede hatte die Bundesumweltministerin am 16.10.18 betont, dass der nationale Wasserdialog sich nicht mit dem Klein-Klein der Tagespolitik beschäftigen sollte – es käme vielmehr auf den weiten Blick mit einer Perspektive bis 2050 an. Die Langfristperspektive sei notwendig, weil

  • die Wasserinfrastrukturen äußerst langlebig seien,

  • die Ökosysteme nur langsam reagieren würden und

  • die notwendigen Anpassungsprozesse – beispielsweise an den Klimawandel und die Veränderungen in der Demographie - nicht von heute auf morgen umgesetzt werden könnten.

Es gehe also darum, gemeinsam zu überlegen, was man bis 2030 alles eingetütet haben müsse, damit es auch 2050 noch funktioniere. Die Bundesumweltministerin:

Wir müssen in dem Dialogprozess die Interessenkonflikte benennen! Nur Probleme, die auf den Tisch kommen, können gelöst werden.“

In fünf Dialogrunden sollen über eineinhalb Jahre hinweg die notwendigen Weichenstellungen diskutiert werden, die dann vom Bundesumweltministerium im Jahr 2021 zur nationalen Wasserstrategie 2050 zusammengefasst werden sollen. Bei der ersten Runde mit vier themenspezifischen Workshop-Veranstaltungen wurde am 27. März 2019 eingangs noch einmal verdeutlicht, dass man aus dem „Spurenstoff-Dialog“ von 2017 bis Anfang 2019 (s. RUNDBR. 1129/1) gelernt habe. Dort habe letztlich das Konsensprinzip dominiert – mit nicht unbedingt positiven Folgen hinsichtlich der Stringenz der Ergebnisse. Insofern würde bei der Ausformulierung der nationalen Wasserstrategie das BMU das letzte Wort haben. Gleichwohl werde man bemüht sein, alle Akteure aus der Wasserver- und Abwasserentsorgung, aus der Industrie und der Landwirtschaft, aus den Wasserwirtschaftsverwaltungen der Bundesländer und aus den Umweltverbänden „mitzunehmen“. Im Hinblick auf die genannten Zeithorizonte war in Berlin fragend eingewandt worden, ob man denn heute schon wissen könne, was 2030 noch ein Thema wäre und was 2050 noch als Aufregerthema auf der Agenda stehen werde? „Welche Verschiebungen der Risiken sind zu erwarten?“ Und: „Wie werden sich die Risikowahrnehmung – und die Risikoverantwortung ändern?“ In ihrem Schlusswort mahnte die im letzten Jahr neu ernannte deutsche Wasserdirektorin, Dr. Regina Dube:

Eigentlich ist es schon 5 nach 12 - und wir hätten gestern schon mit den Problemlösungen anfangen müssen.“

Ein Tag ohne Wasser

 

Bereits bei der Auftaktveranstaltung im Okt. 2018 kam in vielen Diskussionen immer wieder der Personalmangel in der Wasserwirtschaftsverwaltung (s. RUNDBR. 1137/1) zur Sprache. „Vollzugsdefizit“ war einer der viel gebrauchten Begriffe in der Debatte:

Wenn der Vollzug partiell zum Erliegen kommt, wird die Handlungsfähigkeit und auch die Glaubwürdigkeit des Staates unterminiert.“

Die sich daraus ergebende Frage: In welchem Umfang sei die Gesellschaft in Zeiten der „Schwarzen Null“ bereit, die notwendigen Personal- und Finanzressourcen für die Wasserwirtschaftsverwaltung bereit zu stellen? Und übergeordnet wurde auch die Frage angesprochen, in welche Welt wir im Jahr 2050 leben wollten? Das sei die Grundsatzfrage, nach der sich die Zielbestimmungen ausrichten müssten. Daraus folgend müssten dann die Schritte erarbeitet werden, um eine enkeltaugliche Welt zu erreichen. Der notwendige gesellschaftliche Rückhalt für die Wasserwirtschaft sei allerdings nur schwach entwickelt, weil eine gesicherte Wasserver- und Abwasserentsorgung in Deutschland die pure Selbstverständlichkeit sei. Die meisten Menschen würden sei nicht bewusst, welche Technik- und Kulturleistung die hohe Versorgungssicherheit hierzulande gewährleiste. Mehrfach wurde erwähnt, dass das notwendige Aha-Erlebnis in der Bevölkerung wohl erst dann eintreten werde, wenn einen Tag lang die Wasserversorgung flächendeckend in Deutschland komplett ausfallen würde:

Erst wenn kein Wasser mehr aus der Leitung kommt. wird einem der Wert von Wasser klar. Einen Tag ohne Wasser – und wir hätten viele Probleme gelöst“,

so eine Meinung. Klar war aber auch, dass es die Wasser- und Abwasserwerker soweit erst gar nicht kommen lassen wollten. Einig war man sich weitgehend ebenfalls in der Überzeugung, dass eine zukunftsfähige Wasserwirtschaft nur mit einem Einbezug der BürgerInnen erreichbar sei. Und: „Wasser muss in der Politik einen höheren Stellenwert erreichen!“ Die Wasserwirtschaft könne die Probleme nicht allein bewältigen. Sie sei angewiesen auf das konstruktive Mitwirken von anderen Sektoren. Die hierzu erforderliche Interdisziplinarität müsse zum Normalfall werden. Die Zusammenarbeit dürfe auch nicht an der kommunalen und sonstigen Grenzen enden. Das sektorale und administrative Denken müsse überwunden werden. Notwendig sei eine ganzheitliche Bewirtschaftung von Flusseinzugsgebieten. Und dabei müsse auch immer der Naturschutz mitgedacht werden. Das waren in der Berliner Debatte vorgebrachte Thesen, gegen die niemand Widerspruch formuliert hatte.

Sicherung der Daseinsvorsorge
als Dreh- und Angelpunkt?

 

Obwohl man bis zum März 2019 erst mal nur bei der Ausformulierung allgemeiner strategischer Ziele angekommen war, zeichneten sich erste Konfliktlinien ab. Die Konflikte werden sich verschärfen, wenn dann konkreter über operationelle Ziele und Handlungsempfehlungen diskutiert werden soll. So wurde in den ersten Debatten aus Kreisen der Wasserversorger kritisiert, dass die Sozialverträglichkeit und die Bezahlbarkeit denkbarer Maßnahmen in den bisher vorliegenden Dokumenten völlig unterbelichtet seien. Und weiter: „Wir können auf 150 Jahren Wasserversorgung in kommunaler Verfassung aufbauen.“ Darauf müsse auch in der vorgesehenen Wasserstrategie Bezug genommen werden. Die dank der öffentlichen Daseinsvorsorge gesicherte Trinkwasserversorgung müsse zentral im Mittelpunkt stehen.

Für die Industrieseite war demgegenüber eher kritikwürdig, dass die Gewährleistung der industriellen Produktion und der auf Wasser angewiesenen Energiegewinnung (Kühlwasser, Wasserkraft) zu wenig adressiert sei. Der absolute Vorrang der öffentlichen Trinkwassergewinnung und –versorgung geht der Industrieseite ohnehin viel zu weit. Müsse man tatsächlich überall Wasser einsetzen, das der Trinkwasserverordnung entspreche. Oder geht’s auch differenzierter? Und die Umweltverbände stellten wiederum den Primat der Bezahlbarkeit in Frage: Zunächst müsse man diskutieren, was notwendig sei – beispielsweise im Hinblick auf den aquatischen Naturschutz. Erst dann könne man über die Bezahlbarkeit diskutieren. Man solle nicht gleich mit der Schere im Kopf über die eigentlich erforderlichen Maßnahmen sprechen.

 

Lebende Dokumente“ verdeutlichen den
aktuellen Stand des Wasserdialogs

Bereits zur Auftaktveranstaltung im Okt. 2018 hatten das Bundesumweltministerium (BMU), das Umweltbundesamt (UBA) und eine beauftragte Agentur zu jedem der ursprünglich vorgesehenen fünf Themenbereiche („Cluster“) vorbereitende Papiere mit einer Übersicht zum Stand des Wissens und zum Verlauf der Diskussionslinien zusammengestellt. Bis zur ersten Dialogrund mit themenspezifischen Workshop-Veranstaltungen im März 2019 waren die fünf Cluster auf nur noch vier Cluster eingegrenzt worden:

- Gewässerschutz und Renaturierung
- Landwirtschaft und Verbraucherschutz
- Vernetzte Infrastrukturen
- Risikofaktor Schadstoffe

Der fünfte Cluster „Wasserwirtschaft und Gesellschaft“ war in die übrig gebliebenen vier Cluster integriert worden. In den vier Clustern wurden am 27. und 28. März 2019 zunächst die strategischen Ziele debattiert. Im Mai 2019 sollen sodann die operativen Ziele formuliert werden, die sich aus den strategischen Zielen ergeben. Im Sept. 2019 steht dann die Ausformulierung von Handlungsoptionen an. Im Dez. 2019 wird eine gemeinsame midterm-Veranstaltung aller vier Cluster stattfinden, um eventuelle Disharmonien in der Zielbestimmung der vier Cluster auszuräumen. Von Runde zu Runde werden die zugrunde liegenden Papiere als „lebende Dokumente“ fortgeschrieben. Der ganze Prozess wird von einer Internet-Konsultation begleitet. Dazu eingeladen sind auch Wasserinteressierte, die nicht in den personell limitierten Workshop-Runden beteiligt sind.

Der jeweils aktuelle Stand der „lebenden Dokumente“ kann unter
www.bmu.de/wasserdialog
heruntergeladen werden.

Anmerkungen und Kommentare können unter
Wasserdialoge@bmu.bund.de
eingereicht werden.

 

Die Wasserrahmenrichtlinie nach oben öffnen“

 

Strittig war zum Start des nationalen Wasserdialogs auch, wie eisern man am bestehenden rechtlichen Rahmen festhalten wolle/müsse. Ein Diskutant: „Wir müssen ggf. den Rechtsrahmen ändern!“ Mit dem europäischen Rechtsrahmen hatte sich auch die Bundesumweltministerin in ihrer Begrüßungsrede beschäftigt. Im Wissen der Befürchtungen der Umweltverbände, dass die EG-Wasserrahmenrichtlinie verwässert werden könnte, erklärte Svenja Schulze (SPD) ihre Bereitschaft, die Wasserrahmenrichtlinie „nach oben zu öffnen“.

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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