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15. August 2005

 

 

 

 

 

 

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  Recht und Unrecht  


WasserInBürgerhand!

 

Aus: Erkennen und Gestalten - Nr. 27, März 2004
(Donnerstagskreis, Vereinigte Linke in der Berliner SPD)

Verdienen an leeren Kassen
oder: öpp und die (Berater-) Frösche

 

Die Berliner SPD kann stolz sein: Franz Müntefering und die Bundestagsfraktion haben sich bei Anette Fugmann-Heesing bedankt – schriftlich. Die hatte „dienstlich“ als Vertreterin der Berliner Beratungsdienste Stobbe, Sachs, Nymoen GbR der Bundestagsfraktion geholfen, die Voraussetzungen für ein neues Finanzierungsmodell zu erar-beiten. Es soll den notleidenden Kommunen helfen, ihre verfallenden Bildungseinrichtungen zu erneuern und zu pflegen. Das Modell firmiert unter dem Begriff ppp oder öpp.

Was ist öpp?  
 

Der Begriff der „öffentlich-privaten Partnerschaft“ – englisch: Public Privat Partnership (ppp) - meint die verschiedenen Formen privater Kapitalbeteiligung an der Finanzierung und Verwaltung von Infrastrukturen und Leistungen des öffentlichen Sektors.

Und wie dies in der Wirklichkeit aussieht, erfahren wir aus einem Modell, das – mit Dietrich Stobbes Ratschlag – in Offenbach (Hessen) umgesetzt wurde. Der dortige Landrat Peter Walter erklärt stolz, dass ab 1.1.05 alle 90 Schulen im Kreis Offenbach von zwei privaten Unternehmen bewirtschaftet und saniert werden. Im Gegenzug hat sich die Gemeinde vertraglich verpflichtet, im Laufe von 15 Jahren 780 Millionen € an die Privatfirmen Hochtief AG (49 Schulen für 410 Millionen €) und die facility management Firma SKE (41 Schulen für 370 Mill. €) zu zahlen. Dafür verspricht Hochtief der Gemeinde alle Schulen innerhalb von 5 Jahren zu sanieren.

Nun könnte man meinen, dass es sich
um nichts anderes handelt, als um eine
besonders teuere Vorfinanzierung:

Denn natürlich strecken die Bau- und Facility-Firmen das Geld, das sie für das Bauen, Renovieren und Verwalten der Gebäude brauchen, nicht selbst vor. Das Geld kommt vielmehr aus dem „Kapitalmarkt“. Und da Geld nicht verschenkt wird, entstehen hohe Kosten!

Hochtiefgeschäftsführer Bernward Kulle: "Für die Sanierung der 49 Schulen nehmen wir eigenes Geld und das der uns finanzierenden Banken in die Hand, ca. 100 - 130 Millionen € in den ersten Jahren."
Man darf ruhig nachrechnen. 100 –130 Millionen € „nehmen die Firmen in den ersten teuren Jahren der Renovierung „in die Hand“. 410 Millionen € bekommen sie in 15 Jahren. Da wird man neugierig! Jedenfalls wundert nicht mehr, dass Banker und Wirtschaftswissenschaftler „öpp“ als den Wachstumsmarkt der Zukunft für Banken und Versicherungen bezeichnen.

Sie erwirtschaften sich ihre Gewinne durch weitere unnötig hohe Verschuldung des Staates, also der Allgemeinheit.
Und da sich der Vorgang sehr kompliziert gestaltet, braucht man auch viele Berater: Anwälte, Steuerberater, Betriebswirte vereint in der Boom-Branche der Consulting-Firmen, wie Bilfinger-Berger und Freshfields-Bruckhaus-Deringer oder BBD.

Fazit:
Es gibt also auf der Banker-Seite und auf der Beraterseite und auf der Seite der großen Baukonzerne ein gemeinsames Interesse: Geld vom Staat!

Offenbach konkret:  
 

Auf 30 Millionen € beziffert Landrat Peter Walter die Beratungskosten. Das geheime Vertragswerk hat mehrere Tausend Seiten.
Hauptgeschäftsführer Herr Kulle von Hochtief über den Verhandlungspartner: "Sie müssen wissen, Herr Walter hat ja in seiner Karriere vorher die Kripo in Frankfurt geleitet, einschließlich des Glücksspielreferates und er war ein gewiefter und professioneller Verhandlungsführer." - Uns macht dieses Lob von Herrn Kulle misstrauisch. Noch einmal: 30 Millionen € haben allein die Berater in Offenbach kassiert!

Wichtig für diese Beraterfirmen sind Politiker, die für sie den sachunkundigen und juristisch nicht vorgebildeten Kolleginnen und Kollegen in den Kommunen erklären, wie günstig der 40 Aktenordner umfassende, geheime Vertrag, den auch sie nicht kennen, gerade für ihre Gemeinde ist.
Diese Aufgabe haben in Hessen Dietrich Stobbe und Anette Fugmann-Heesing übernommen – Hessen ist die politische Heimat von Anette Fugmann-Heesing.

Aber auch Berlin ist bereits in ihrem Visier: 
 


Im „Leitantrag“ des Landesvorstandes zum „arbeitsmarktpolitischen Landesparteitag der Berliner SPD“ am 04.12.2004 wurde der folgenden Satz untergebracht:
„Hier sind auch neue Modelle zu entwickeln und zu erproben, die einen Ausgleich zwischen Investitionsnotwendigkeiten und Investitionsmöglichkeiten des Landes Berlins schaffen, wie beispielsweise bei der Schulsanierung, Parkpflege oder anderer vergleichbarer Bereiche.“

Außer dem Donnerstagskreis fiel das in seiner scheinbaren Harmlosigkeit niemandem auf. Wir wissen allerdings aus Offe-bach, dass durch solche „harmlosen Beschlüsse“ die Weichen gestellt werden. Am Ende beruft man sich dann auf „einmütige Parteitagsbeschlüsse“.

Schwer hatte es das Duo Stobbe/Fugmann-Heesing nicht, das öpp-Modell zur Sanierung hessischer Schulen zu erarbeiten. Denn beide hatten in Berlin ein sehr ähnliches Modell kennen – und offenbar lieben - gelernt:

Das Berliner Modell der Wohnungsbauförderung
 


Berlin (West) befand sich in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in einer schwierigen Situation. Die Stadt litt unter Wohnungsnot. Mit den klassischen Modellen der Förderung war – wie heute - angesichts knapper Kassen die erforderliche Zahl von Wohnungen nicht zu bauen, ohne in sehr ernste Probleme mit dem Landeshaushalt zu kommen. Da kam „man“ auf die Idee: „Jetzt bauen und später bezahlen.“

Zusatzeffekt für die Berliner Politik: Die wahren Investitions-summen wurden im jährlichen Haushalt nicht ausgewiesen, galten also auch nicht als Verschuldung!

Und so geschah es. Die Privaten bauten. Bald zu Wahnsinnspreisen! Die Finanzierung holten sie sich auf dem Kapitalmarkt – damals noch über normale Bankkredite. Und das Land Berlin übernahm die volle Finanzierung für 15 Jahre – und dann später für weitere 15 Jahre im Rahmen einer "Anschluss-förderung". Im jeweiligen Landeshaushalt stehen "nur" die Jahresraten zur Tilgung der eingegangenen Verpflichtungen.

Der Donnerstagskreis hat dieses Modell am 23.12.2002 wie folgt gewürdigt:
„Mehr als jede andere politische Maßnahme ruiniert die Förderung des Berliner Wohnungsbaus den Berliner Haushalt. Selbst die Zahlungen zu Gunsten der Bankgesell-schaft Berlin in Höhe von 300 Millionen € jährlich nehmen sich gegen die fortlaufenden „Schuldendiensthilfen“ als Folge der Förderung des Berliner Wohnungsbaus in Höhe von rund 1.271 Millionen € (2,5 Milliarden DM) pro Jahr fast mager aus.“

Andere haben noch härtere Worte gefunden: Das System habe er – so Klaus Riebschläger in der Berliner Zeitung vom 30.Juli 2003 - schon vor zwanzig Jahren als „kriminell“ bezeichnet. Und der damalige Vorsitzende der ÖTV, Dr. Kurt Lange, sprach in einem Artikel vom März 1986 von „legaler Wirtschaftskriminalität“.

Die furchtbaren Folgen trägt Berlin noch heute und ist für viele weitere Jahre an die milliardenschweren Verpflichtungsermächtigungen gebunden, die Politiker vor 15 Jahren gaben. Diese Milliarden würde das Land weitere Jahrzehnte tragen, wenn der Donnerstagskreis hierin unterstützt von Senator Sarrazin nicht in einem Kraftakt - gegen den erbitterten Widerstand des (damaligen) Bausenators und SPD - Landesvorsitzenden, Peter Strieder - die SPD-Fraktion hätte davon überzeugen können, wie verbrecherisch die Fortsetzung dieses Systems gewesen wäre. Die Klagen der "Partner" von damals, auf Fortsetzung der Zahlungen des Landes mussten vor Gericht abgewehrt werden.

Alle Parteien von PDS bis FDP begrüßten schließlich im Parla-ment den Stopp dieses "Vorfinanzierungsmodells". Ob sie sich daran auch heute noch erinnern?!

Das Schema
der „Berliner Wohnungsbauförderung“
und das der „öpp“-Modelle ist gleich,
die Ausgangssituation fast identisch:

 
  • Die Finanznot der Kommunen,
  • die Forderungen der Bürger nach Behebung eines unbestreitbaren und akuten Mangels,
  • das Dilemma der Bauindustrie – damals in der eingemauerten Stadt, heute angesichts der investitionshemmenden so genannten „Sparpolitik“ in ganz Deutschland,
  • das Beziehungsgeflecht von Politik und "Wirtschaft".

Auch die handelnden „Personen“ gleichen einander:

  • Kurzsichtige Politiker, die zur Sicherung der Wiederwahl die Zukunft verkaufen,
  • die Bauindustrie und ihre Interessenvertreter,
  • die finanzierenden und am Geschäft verdienenden Banken,
  • die enge Zusammenarbeit von Politik und Geld, um durch Beziehungen an die Geldtöpfe zu kommen,
  • die Risikoverteilung zu Lasten der Kommunen,
  • die Verschleierung der Verschuldung im aktuellen Haushalt der Kommunen - nun auch wegen der Maastricht-Kriterien. Die Finanzierung, die über die Jahre ausschließlich die Kommune zu tragen hat, wird nämlich nicht der öffentlichen Hand zugeschrieben, sondern der privaten Projektgesell-schaft! Ein Buchungstrick mit dem Ziel der Verschleierung!

Geändert haben sich einige Rahmenbedingungen,
die freilich das Grundschema nicht berühren:

Die Botschaften des ideologischen Überbaus – langfristig von der Bertelsmannstiftung, der Körberstiftung, der Hanns-Martin-Schleyer-Stiftung und anderen Stiftungen der Deutschen Industrie erarbeitet und mit viel Geld immer wieder „verkauft“ - sind kritiklos verbreitetes „Allgemeingut“ der politischen Eliten geworden, obgleich sie ersichtlich falsch sind:

  • Private machen alles besser und billiger.
  • Steuern senken schafft Arbeitsplätze.
  • Das Verfälschen und Verwässern klarer – und teilweise grundgesetzlich geschützter – Werte und Begriffe:
    Aus Gleichheit wird „Chancengleichheit“ (die jede Lotterie erfüllt), aus dem grundgesetzlichen Sozialstaatsgebot wird der „Gewährleistungsstaat“, aus dem „Recht auf Bildung“ wird das (käufliche) „Produkt Bildung“, dessen Wert an der Ver-wertbarkeit der Menschen gemessen wird.
    So verwirtschaftet sich Politik.

Auch die Dimension ist neu:

Es geht um Geschäfte in ganz Deutschland. Die Beteiligten sind mächtiger als sie es in der eingemauerten Stadt waren. Es sind nur große Firmen, die auf diese Aufträge spekulieren, es sind Banken und Versicherer, die einsteigen wollen. Und natürlich stehen die Beraterindustrie und die „think-tanks“ der Privatindustrie hinter solchen Kampagnen. Für Neoliberale geht es um den Kern ihrer Botschaft, viel Geld!

Aber die Not ist real – und damit
das „ Erpressungspotential“
gegenüber den Kommunen.

  • Ein tatsächliches und begründetes Bedürfnis nach Verbesserung der Situation in den Schulen, den Jugendeinrichtungen,
  • der sozialen Infrastruktur - gemäß dem Verfassungsauftrag ist so offenbar, dass man sich für Deutschland schämen muss,
  • eine Bauindustrie, in der nunmehr seit Jahren mangels selbsttragenden Wachstums und als Folge der rigorosen Sparpolitik der Kommunen, die Aufträge fehlen, so dass große Firmen wie Holzmann oder Walter Bau, trotz Lohndumping Pleite gehen,
  • über 5 Millionen Arbeitslose, darunter viele Bauarbeiter,
  • die Verlockungen der "Haushaltsgestaltung" für die Finanzpolitiker angesichts eingeschränkter Möglichkeiten,
  • die vielen gewerbsmäßigen „Berater“, darunter viele Politiker, die ihren ehemaligen – manchmal auch aktuellen - Kollegen mit ihren Geschäften in den Ohren liegen.

Daneben gibt es Sorgen durch die geplante Novellierung des Deutschen Vergaberechts nach den Richtlinien der EU: Alle Liefer- und Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge ab 5,9 Millionen € sollen europaweit ausgeschrieben werden. Dies greift massiv in die Möglichkeiten der Kommunen ein, selbstbestimmt die Leistungen der Daseinsvorsorge an kommunale oder regionale Unternehmen zu übertragen.

Der Investitionsbedarf allein bei den Schulen wird bis 2009 in Deutschland auf 79,3 Mrd. € beziffert. Das ist ein Riesengeschäft. Könnten die Kommunen diese Aufträge an die regionalen Handwerksbetriebe vergeben, würden tatsächlich Arbeitsplätze geschaffen und den Gemeinden geholfen. Das wäre auch eine echte Förderung des Mittelstands, von der die Parteien sonst immer nur reden. Eine Aufgabe für den Bundeskanzler: Seine Initiative gemeinsam mit anderen Nationen, die Maastricht - Kriterien neu zu gewichten, zielt auf einen richtigen Weg.

Fazit: Es gibt einen akuten Bedarf, der auch befriedigt werden muss, will Deutschland in der Bildungspolitik nicht den Kontakt zur Weltspitze verlieren, den es auch für seine Wirtschaft braucht.

Wäre da nicht öpp doch ein vertretbarer Weg,
um die Aufgaben zu erfüllen und zu finanzieren?

Um die günstigste Finanzierung dieser Investitionen geht es den Befürwortern für ÖPP, wie sie selbst erklären, gar nicht – kann es auch nicht gehen. Denn der Zins, den eine Kommune für Kredite zahlt, wird immer günstiger sein als der Zins für ein privates Unternehmen – schon wegen der erhöhten Bonitäts- und Projektrisiken der Privaten.
Da offensichtlich ist, dass jedes öpp-Modell erschreckend viel teurer ist als die Kreditaufnahme, bemühen sich seine Befürworter neben der Ideologie von der Überlegenheit des privaten Wirtschaftens auf die Kosten zu drücken:

Damit die Konditionen der Banken für die Kredite privater Konzerne wie HochTief billiger werden, wird von den ÖPP -Befürworten in der SPD verlangt:

1. Die Kommune soll Kreditbürgschaften stellen!
2. Die Kommune soll bezüglich der Forderungen der Bank auf das Recht der Einrede verzichten!
3. Die KFW soll öffentliche Fördermittel für Private geben.

"Alles wurde beim Pilotprojekt in Offenbach genutzt", beteuert Dr. Michael Bürsch MdB und Vorsitzender der Projektarbeitsgruppe ÖPP der SPD Bundestagsfraktion.

Dieses Modell kennen wir.
Es heißt Bankenskandal!

Das Land muss alles bezahlen und übernimmt alle Risiken, hat aber keinen Einfluss auf das Geschäft und seine Erledigung.
Etwas anderes bedeutet der Verzicht auf Einreden nämlich nicht. So schlecht die Renovierung auch sein mag, so jämmerlich das Facility-Management auch arbeiten mag, die Kommune zahlt, zahlt selbst dann, wenn sie die Einrichtung gar nicht mehr benötigt.

Wochenlang wurde in Offenbach um die "Risikoverteilung" gefeilscht. Nicht umsonst hat der Vertrag in Offenbach mehrere tausend Seiten. Das Ergebnis bleibt geheim. Öffentlich wird nur die „Meinung“ der Vertragspartner, dass durch die "Effizienzgewinne" alles viel günstiger ist, als es wäre, wenn die Kommune Bauherr bliebe.

Berlin weiß, dass diese „Zusicherungen“ das Papier nicht wert sind, auf das sie geschrieben werden. Es gab diese Zusicherung bei dem Verkauf der Wasserbetriebe, der Bewag, der Gasag, es gab das Versprechen von „Riesengewinnen“ der Bank-gesellschaft. Und bezahlt haben die Bürger den „Glauben“ der Politiker mit Milliarden-Zuschüssen!

Wir stellen fest:
„öpp“ kostet immer mehr als ein Kredit, den die Kommune aufnimmt, um ihre Aufgaben selbst zu erledigen. Etwas erträglicher werden die zusätzlichen Kosten, wenn die Kommune auf alles verzichtet, was sie gegen schlechte Arbeit, unnötigen Aufwand und weggefallene Aufgaben geltend machen könnte. Dieser Verzicht kostet am Ende aber noch mehr als das dadurch ersparte Geld. Auch das wissen wir.

Und worin liegt dann der Reiz von „öpp“?

Ganz wichtig sei der Vorteil einer „öpp Lösung“ bei der Finanzierung: „Die Finanzierung wird überwiegend der privaten Projektgesellschaft, nicht der öffentlichen Hand zugeschrieben. Das ist für öffentliche Investoren, deren Kreditspielraum ausgeschöpft ist, ein beachtliches Aspekt"!

Die Verschleierung der Verschuldung ist der einzige Vorteil der Kommunen und ihrer Politiker. Diesem scheinbaren Vorteil steht aber nicht nur entgegen, dass hier eine teure Lösung gewählt wird. Vielmehr drohen auch andere Gefahren und Nachteile:

  • ÖPP wird immer von großen Konzernen vorangetrieben, denn das Portfolio muss mindestens 30-50 Mio. € betragen. Sonst lohnen sich auch die Berater nicht mehr.
    Die Einbindung des Mittelstandes erfolgt bei diesen Projekten – wenn überhaupt – nur durch Submissionsverträge. Das bedeutet für die regionalen Handwerker mit Arbeitsplätzen vor Ort, dass sie von den Großunternehmen total abhängig und damit erpressbar werden. Am Ende wundern sich dann die Politiker über die vielen ausländischen Arbeitskräfte, die legal oder illegal in den Einrichtungen der öffentlichen Hand arbeiten. Dabei haben sie das alles selbst veranlasst!
  • Die großen Unternehmen wie HochTief werden die Forde-rungen an die Kommune von 15 Jahren mittels Asset-Backed-Securities (ABS) zu Geld machen. Dazu gründet man - wie in Offenbach - eine sogenannte „Zweckgesellschaft“. Banken kaufen dieser rechtlich selbständigen Zweckgesellschaft die Forderungen ab, die diese gegen die Kommune vertragsgemäß besitzt. Die Betreiberfirmen (hier HochTief) achten dann darauf, dass diese Zweckgesellschaft nicht mehr zu ihrem Konsolidierungskreis gehört.
    Damit haftet der Verkäufer nur noch für den rechtlichen Bestand und nicht mehr für die Einbringbarkeit der Forderungen. Es wird eine Trennung zwischen Verkäufer und den zu verkaufenden Bilanzaktiva erreicht.
    Im Gegenzug zum Verkauf der Forderungen erhalten die Unternehmer vom Finanzdienstleister (Banken) die ausstehenden Rechnungssummen.
    Die Finanzdienstleister ihrerseits bündeln diese Forderungen und machen marktfähige Papiere daraus, die als Anleihen am Kapitalmarkt angeboten werden.

Dies klingt nicht nur undurchsichtig – es ist auch gefährlich, wie wir aus allen solchen Geschäften wissen.
Unsere Erfahrungen haben uns gelehrt, dass Privatisierung stets zu einer Verschlechterung der Leistungen geführt hat und zu einer Entmachtung der Politik. Und wer glaubte, sich damit aus der Verantwortung schleichen zu können, wurde enttäuscht. Die Bürger machen die Politik zu Recht verantwortlich – und die hat nicht einmal mehr die Möglichkeit, Fehler zu korrigieren.
Das kommunale Handwerk wird ausgeschaltet und häufig in die Pleite getrieben. Die Arbeitslosigkeit wächst. Die langfristige Verschuldung knebelt ganze künftige Generationen.

Nachwort

Damit wir uns richtig verstehen: öpp-Vorhaben besitzen für viele, die daran verdienen, viel Charme. Jedes Projekt ist einmalig. Chancen und Risiken müssen jedes Mal neu definiert werden. Und das erfordert viele Berater.
Neben Banken und Baufirmen sind hier die Nutznießer dieses Finanzierungsmodells zu finden. Und wie ihre wirklichen Auftraggeber haben sie die Feinde ihrer Projekte ausgemacht.
Landrat Walter, wir erinnern uns an ihn als Glücksspielexper-ten, benennt die Feinde:Absurde Widerstände gäbe es dort, wo ein hoher gewerkschaftlicher Organisationsgrad vorhanden sei. Dort würden, so Wa-ter, Begriffe wie „privat“ und „Markt“ stigmatisiert. Sozialdemokraten, die auf die Ziele ihrer Partei pochen, hat Herr Walter offenbar schon gar nicht mehr erlebt.

Damit kommen wir zu den Zielen
von öpp jenseits der Zahlen

Berlins ehemaliger Bürgermeister und Schulsenator Walter Rasch (FDP), nennt öpp den Königsweg zur „Entstaatlichung“. Hat er Recht? Oder drängt öpp mit seinen jahrzehntelangen Festlegungen Parlamente auf allen Ebenen über viele Wahlpe-rioden hinweg aus der Verantwortung für Haushalt und Kontrol-le der Verwaltung? Wird damit nicht die Demokratie in Bund, Ländern und Gemeinden ausgehöhlt und letztlich aufgehoben?
Berlin hat Erfahrung mit öpp. Die Errichtung des „Steglitzer Kreisels“ war so ein Modell! Viele Sozialdemokraten sind darüber gestürzt! Nun würde der „Kreisel“ nachträglich zu einem „Aufbruch zu neuen Ufern“. Wolf Jobst Siedler war dies eine Betrachtung unter der Überschrift „Korrupt im Kopf“ wert – in der FAZ vom 17.11.1986.
Man kann wohl auch das Tempodrom-Desaster in diese Reihe stellen – und natürlich den Bankenskandal.

Das Publikum vergisst schnell, denken die immergleichen Akteure. „Der Erfolg ist der Lehrmeister der Dummen“, sagt Livius. Der Misserfolg soll – auch auf die Dummen - angeblich die gleiche Wirkung haben. Zweifel daran sind angebracht. Um zu erkennen, dass man abermals für dumm verkauft werden soll, bedarf es eines Restes an Urteilskraft.
Wir können nur an Erfahrungen erinnern und die Gefahren aufzeigen. Die Schlussfolgerungen muss jeder selbst ziehen – wenn er dazu in der Lage ist. (...)
Ein anderes vielzitiertes Wort für das Überwinden von Hinde-nissen heißt: Wer den Sumpf trocken legen will, darf nicht die Frösche fragen. Das gilt auch, wenn die Frösche als Berater auftreten. Der Sumpf, der hier trocken gelegt werden soll, ist den Berlinern bekannt.

Man kann sich leicht vorstellen, wie öpp in Berlin auftritt, wenn auf oder nach dem Bildungsparteitag die Fata Morgana der Sanierung der Berliner Schulen aus dem Nichts leerer Haushaltskassen aufsteigt. Wir ahnen die Retter und Propheten. Und wir werden sie im Auge behalten und ihre Botschaften genau betrachten.

Berlin, im März 2005

Gerlinde Schermer
Dr. Konstanze Kube
Jan Flach
Thomas Rudek
Hans-Georg Lorenz

 




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