Der
              Abwasserkrieg von Rauen begann vor acht Jahren. Da wurde vor dem
              Grundstück der Familie Plenzke der zentrale Abwasserkanal
              des Zweckverbandes Fürstenwalde und Umland verlegt. Verbandsvorsteher
              ist der Fürstenwalder Bürgermeister Manfred Reim (FDP).
              Der Zweckverband beansprucht das Abwasser aller 55 000 im Einzugsgebiet
              lebenden Bürger, weil sich andernfalls die Investitionen für
              das umstrittene Klärwerk in Fürstenwalde nicht rechnen.
          Plenzkes hatten
              zu dem Zeitpunkt bereits eine weitaus umweltfreundlichere Nutzwasserrückgewinnungsanlage auf ihrem 3000 Quadratmeter großen
            Grundstück in einer Senke am Ortsrand gebaut. Alle erforderlichen
            Behörden und die Gemeinde hatten dem Bau der Anlage zugestimmt.
          In zwei geschlossen
              Kreisläufen werden Trink- und Schmutzwasser
            getrennt voneinander über mehrere Becken immer wieder aufbereitet
            und so wiederverwendet statt entsorgt. Verschiedenste Einrichtungen überprüften
            das Wassersystem und befürworteten es für dieses Grundstück.
            Zum Beispiel Professor Ralf Otterpohl von der Technischen Universität
            Hamburg-Harburg. Die Anlage der Familie Plenzke sei vorbildlich,
            technisch sehr hochwertig und minimiere die Gewässerbelastung,
            meint der Professor.
          Plenzkes nutzten
              den Zwangsanschluss nicht, blieben ausschließlich
            bei ihrer Anlage, denn sie hatten und haben kein Abwasser, das sie
            loswerden müssen. Den Zweckverband hinderte das nicht, Rechnungen
            und Mahnungen zu schicken und Beugehaft anzustreben. Plenzkes klagten
            dagegen.
          Der juristische
              Streit um diese Sache nimmt kein Ende. Im Briefkasten liegen täglich mindestens fünf Schreiben von Behörden.
            Frau Plenzke will erfahren haben, dass sich der Zweckverband sogar
            bei der Rentenversicherung nach persönlichen Daten der Familie
            erkundigte. Das regionale Umweltlabor, das die private Wasseranlage
            jahrelang überwachte, fusionierte mit dem Zweckverband und stellte
            ab sofort eine nicht zumutbare Verschlechterung der Werte fest. Plenzkes
            sprechen von Geheimdienstmethoden und wechselten zu einem Berliner
            Umweltlabor. Die Tochter konnte den Stress nicht mehr ertragen und
            zog aus. Frau Plenzke ist nervlich fast am Ende.
          Rechtsanwalt
              Stefan Sarrach beantragte Vor-Ort-Termine, legte Gutachten vor
              und argumentierte
              mit dem vom Landesverfassungsgericht bestätigten
            Rechtsanspruch jedes Bürgers, sein Wasser mehrfach wiederverwenden
            zu dürfen. Doch am Ende half auch das nicht. Am 4. Dezember
            rollte ein Güllewagen nach Rauen – mit sechs Polizisten,
            zwei Rechtsanwälten und Blaulicht. Augenzeugen hielten das Schauspiel
            für einen Gag mit versteckter Fernsehkamera. Zwangsweise wurden
            14 Kubikmeter Klärschlamm abgezogen.
          Barbara Plenzke und Rechtsanwalt Sarrach versuchten, dies vom Verwaltungsgericht
            Frankfurt (Oder) stoppen zu lassen. Zwecklos. Das Abwasser wurde
            mit Eskorte und Blaulicht aus dem Dorf gefahren. Sarrach spricht
            von einem ungesetzlichen Vorgehen.
          Der aufsehenerregende
              Hausfriedensbruch bescherte der Familie jedoch nicht nur eine saftige
              mindestens dreistellige Rechnung, sondern
            auch viele Sympathisanten. Einfach aus dem Entsetzen heraus über
            so viel Willkür. Es wird auch vermutet, dem Zweckverband sei
            es darum gegangen, mit dem Klärschlamm Beweise zu vernichten – Beweise
            dafür, dass die biologische Anlage gut funktioniert.
          Die Geschäftsführerin des Zweckverbandes, Gisela Scheibe,
            ist indes von der Richtigkeit ihres Tuns überzeugt: »Es
            gibt keine Alternative, wenn der Zweckverband seinen gesetzlichen
            Pflichten nachkommen will«, sagt sie.
          Der Naturschutzbund
              (NABU) kritisiert das Vorgehen und verweist auch auf den Fall von
              Doris
              Groger. Diese hatte im Jahr 2000 mit
            anderen Frauen gegen den Zwangsanschluss der Gemeinde Briesensee
            an die Kanalisation gekämpft. Die Frauen traten deswegen in
            den Hungerstreik, was für Aufsehen sorgte. Am Mittwoch nun rückte
            ein Bautrupp des Amtes Lieberose/Oberspreewald unter Polizeibedeckung
            bei Groger an und begann, einen Anschluss zu legen. Die Bauarbeiter
            wollten am Donnerstag weitermachen, mussten aber unverrichteter Dinge
            abrücken, weil die Unterschrift unter einem Gerichtsbeschluss
            fehlte (ND berichtete).
          »Kleinkläranlagen und Pflanzenklärbecken sind die
            optimale Form der Abwasserentsorgung«, sagt NABU-Landesgeschäftsführer
            Wolfgang Mädlow. Der Staat müsste alles tun, um solche
            Anlagen zu fördern. Stattdessen schicke er engagierten Bürgern
            die Polizei auf den Hals.
          Im Hinblick
              auf die Fälle Barbara Plenzke und Doris Groger
            spricht die Landtagsabgeordnete Renate Adolph (Linkspartei) von »rücksichtslosen
            Maßnahmen« und »Zuständen wie in einer Bananenrepublik«. »Wer
            mit derartiger Kälte und Brutalität gegen die bessere Technologie
            vorgeht, hat offenbar viel zu verlieren im Geschäft mit dem
            Wasser.«
          Den Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) fordert Adolph
            auf, er solle sich »für eine sofortige Beendigung aller
            Zwangsmaßnahmen« einsetzen. Das Gesetz sehe zwar die
            Möglichkeit von Zwangsanschlüssen vor – »wie
            und in welcher Menge aber Abwasser abgegeben wird, bleibt schließlich
            dem Bürger überlassen«. Eine Wiederaufbereitung auf
            dem Grundstück sei zulässig, auch wenn sie den Kläranlagenbetreibern
            nicht ins Konzept passe.