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28. Oktober 2015

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 16.9..2015

Alles halb so schlimm mit dem
Sulfat im Trinkwasser?

 

Zwischen Berlin und Brandenburg herrscht im Hinblick auf die Wahrung der Trinkwassergüte zunehmend dicke Luft. Der Aufregungspegel steigt, weil die zunehmenden Sulfat-Konzentrationen in der Spree mehr und mehr auf die Güte des Berliner Trinkwassers durchschlagen. Berlins größtes Wasserwerk in Friedrichshagen hat zunehmend Probleme mit der Sulfatbelastung aus dem Lausitzer Braunkohlebergbau in Brandenburg.

In einer aktuellen Antwort vom 26.08.15 auf eine Kleine Anfrage der GRÜNEN zu Nitrat-, Chlorid- und Pestizidkonzentrationen in Oberflächen-, Grund- und Trinkwässern nimmt die Bundesregierung auch Stellung zur gesundheitlichen Relevanz von Sulfat im Trinkwasser. In der BT-Drs. 1805856 heißt es im Hinblick auf die Häufigkeit der Überschreitung des Sulfat-Grenzwertes von 250 mg/l in der Trinkwasserverordnung u.a., dass in deutschen Trinkwasserversorgungen

„nur in Ausnahmefällen und über kurze Zeit (…) Konzentrationen von mehr als 500 mg/l Sulfat erreicht“

worden seien. Bei der Mehrzahl der Grenzwertüberschreitungen hätten die Höchstkonzentrationen zwischen 250 und 500 mg/l Sulfat gelegen. „Im Wesentlichen“ könne man die erhöhten Sulfatkonzentrationen im Roh- und Trinkwasser auf „eine geogene Ursache“ zurückführen. Gemäß den „Leitlinien zum Vollzug der §§ 9 und 10 der Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001)“ seien

„Überschreitungen des Grenzwertes bis zu einer Höhe von 500 mg/l Sulfat für einen Zeitraum von maximal 10 Jahren zulässig und gesundheitlich akzeptabel“. Auch international würden Sulfatgehalte „erst oberhalb von 500 mg/l als gesundheitlich bedenklich angesehen“.

Und weiter heißt es:

Die WHO verzichtet sogar auf die Festsetzung eines Leitwertes für Sulfat im Trinkwasser. Nationale Gesundheitsbehörden wie Health Canada oder das australische National Health and Research Council geben ähnliche Empfehlungen. Aus geschmacklichen Gründen empfehlen beide Behörden Werte von ≤ 500 mg/l (Kanada) bzw. ≤ 250 mg/l (Australien).“

Allerdings würden auch in diesen Staaten Konzentrationen von mehr als 500 mg/l „als möglicherweise laxierend [abführend] angesehen“. Zu hohe Sulfatgehalte des Trinkwassers würden osmotische Durchfälle auslösen. Die Bundesregierung setzt jedoch beschwichtigend hinzu, dass diese Durchfälle bei Erwachsenen erst bei Trinkwasserkonzentration von „weit über 1200 mg/l Sulfat“ auftreten würden. Bei Säuglingen kämen sie bereits oberhalb einer Konzentration von 500 mg/l bzw. bei einer Zufuhr von 66 mg/kg/Tag vor.

Wann geht es einem Grundwasserkörper
chemisch ganz schlecht?

 

In der zuvor erwähnten BT-Drs. legt die Bundesregierung zudem umfangreiches statistisches Material der Bundesländer zu den Nitratkonzentrationen in den Grundwasserkörpern vor. Dabei erläutert die Regierung auch, wann ein Grundwasserkörper in einen chemisch schlechten Zustand eingestuft wird: Dies ist erst dann der Fall,

wenn eine signifikante Fläche – in der Regel mehr als 20 Prozent der Fläche des Grundwasserkörpers – einen Nitratwert von 50 mg/l oder mehr aufweist. Wird der Schwellenwert von 50 mg/l Nitrat an lediglich einer Messstelle überschritten, reicht dies in der Regel nicht aus, um den Grundwasserkörper in einen schlechten chemischen Zustand einzustufen.“

Korreliert die Viehbestandsdichte
mit dem Nitrat im Grundwasser?

 

In ihrer zuvor erwähnten Antwort auf die Anfrage der Grünen gibt die Bundesregierung auch eine Hitliste der viehreichsten Landkreise an. Bundesweit liege bei nutztierhaltenden Betrieben die mittlere Viehbestandsdichte bei 1,05 Großvieheiten pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche (GV/ha NF). In 31 Landkreisen sei ein Wert von 1,5 GV/ha NF überschritten worden. Die höchsten Werte hätten die Kreise Vechta (2,96), Cloppenburg (2,64), Borken (2,52), Grafschaft Bentheim (2,18) und Coesfeld (1,97) aufgewiesen. Ob die hohen Viehbestandsdichten mit hohen Stickstoffkonzentrationen in Grund- und Oberflächengewässern einhergehen, könne man nicht unbedingt behaupten – denn:

„Ergebnisse entsprechender systematischer Untersuchungen liegen der Bundesregierung nicht vor.“

Allerdings könne man im Allgemeinen davon ausgehen, dass als Nitratschwerpunktregionen

„Gebiete mit hoher Viehbesatzdichte und Gebiete mit Sonderkulturen ausgemacht werden“ könnten.

Rasterfahndung nach Güllesündern
(theoretisch) jetzt schon möglich

 

Zur Forderung, den schwarzen Schafen unter den Güllebauern künftig mit einer Rasterfahndung auf die Schliche zu kommen, entgegnet die Bundesregierung in der BT-Drs., dass auf der Basis der „Verordnung über das Inverkehrbringen und Befö­dern von Wirtschaftsdüngern“ (WDüngV) vom 21. Juli 2010 die Zusammenführung der erforderlichen Daten bereits derzeit möglich wäre:

Die Verordnung ermöglicht den zuständigen La­desbehörden schon jetzt die vollständige Erfassung der Abgabe von Wirtschaftsdünger, wie etwa Gülle, auch durch flächenlose Betriebe, um deren sachgerechte Verwertung im aufnehmenden Betrieb übe­wachen zu können. Zudem wird ermöglicht, den Verbleib der hier in Rede stehenden Düngemittel zu kontrollieren. Hierzu sind Regelungen zu Aufzeichnungs-, Melde- und Mitteilungspflichten in der WDüngV enthalten, die durch Landesrecht ergänzt werden können.“

Die Bundesregierung räumt allerdings ein, dass die Verordnung auf Grund der Länderzuständigkeiten keine Vorschriften enthalten würde,

wie diese Daten seitens der Bundesländer zu erfassen oder zwischen diesen ggf. abzugleichen sind (Lieferscheine, elektronische Verfahren, etc.)“.

Im Rahmen der Novelle der Düngeverordnung sei jedoch vorgesehen, die Vorschriften zu präzisieren und zu erweitern:

So soll den Ländern die Befugnis übertragen werden, durch Rechtsverordnung Regelungen über Vorlage-, Melde- oder Mitteilungspflichten im Zusammenhang mit den Aufzeichnungen der Nährstoffvergleiche und der Düngebedarfsermittlung zu erlassen (…).“

Vom Verschwinden des Nitrats aus
der Oberflächengewässerverordnung

 

Gewässerschützern, die sich der Mühsal unterwerfen, Gesetzes- und Verordnungsnovellen zu lesen, war es im Mai 2015 merkwürdig vorgekommen, dass im Novellenentwurf der Oberflächengewässerverordnung die Umweltqualitätsnorm für Nitrat verschwunden war. Auf Nachfrage der Grünen nimmt die Bundesregierung in der oben genannten BR-Drs. auch hierzu Stellung – und schreibt, dass die Regelung für Nitrat aus der Oberflächengewässerverordnung 2011 deshalb nicht übernommen wurde,

weil der Aktionswert der EG-Nitratrichtlinie in Höhe von 50 mg/L bei Überschreitung Maßnahmen erfordert, aber nicht zwingend die Einhaltung dieses Wertes. [!] Der Aktionswert ist somit keine Umweltqualitätsnorm des chemischen Zustands nach WRRL. Die WRRL sieht keine Übernahme von Werten aus anderen EU-Richtlinien als Umweltqualitätsnorm vor.“

Weil in der Verbändeanhörung zur Novelle der Oberflächengewässerverordnung das Verschwinden der Umweltqualitätsnorm für Nitrat – und die äußerst formalistische Begründung - auf breites Unverständnis gestoßen ist, gesteht die Regierung in der BT-Drs. jetzt zu, dass derzeit

„auf Grundlage der Anhörung der beteiligten Kreise geprüft“ würde, „ob der Nitratwert wieder in den Novellierungsentwurf aufgenommen wird“.


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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