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8. Dezember 2015

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 8.11.2015

Wasserwirtschaftliche Aussprachetagung (WAT 2015)

Vorrang für den Trinkwasserschutz geht gar nicht!“

 

Wer wissen will, was die angesagten Themen in der deutschen Trinkwasserversorgung sind, muss die Wasserwirtschaftliche Aussprachetagung (WAT) des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) besuchen. Die WAT 2015 war vom 26. bis 27. Okt. in Essen über die Bühne gegangen. Für alle Daheimgebliebenen präsentiert die ENERGIE WASSER PRAXIS (ewp) 10/2015 auf den Seiten 96 - 126 zumindest die Kurzfassungen der Vorträge – jeweils auf einer halben bis einer ganzen Druckseite. Was die Wasserwerker auch in Essen weiterhin umtrieb, sind die regional wieder ansteigenden Nitratkonzentrationen im Grundwasser. Dazu erklärte Frau Dr. Heidi Foth von der Uni Halle-Wittenberge in ihrer Keynote-Ansprache lt. ewp:

Im Gewässerschutz bestehen durchaus anspruchsvolle Umweltqualitätsziele, die jedoch eklatant verfehlt werden. Die in Deutschland zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie geplanten Maßnahmen und Bewirtschaftungspläne reichen nicht aus, um die Ziele zu erreichen. Aus diesem Grund müssen mehr – insbesondere ordnungsrechtliche – Maßnahmen ergriffen werden, um die Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft zu mindern. Außerdem ist es dringend erforderlich, die deutsche Düngegesetzgebung ambitioniert weiterzuentwickeln und umzusetzen.“

Gegen die zuvor zitierte Positionierung durfte sich in Essen Eberhard Hartelt vom Bauern und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd e.V. zur Wehr setzen. Der Bauernverbands-Vertreter betonte, dass es bei der Düngeverordnung (s. RUNDBR. 1055, 1051, 1045) weiterhin darum gehen müssen, die gute fachliche Düngung zwecks Gewährleistung konkurrenzfähiger Erträge für die deutsche Landwirtschaft zu regeln. Die von den Wasserwerkern geforderte Unterordnung einer optimalen Düngung unter den Gewässerschutz sei „weder im nationalen noch im europäischen Recht vorgesehen“. Sollte trotzdem der Gewässerschutz einen Vorrang bekommen, würde „den Wasserkooperationen und dem freiwilligen Gewässerschutz über Agrarumweltprogramme die Grundlage entzogen“. Falls das eine Drohung gewesen sein sollte, setzte Hartelt vor den versammelten Wasserwerkern in Essen noch eins oben drauf:

Wasserwirtschaft und Länder sollten nicht überziehen, denn nur gemeinsam mit den Landwirten ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess im Gewässerschutz zu erreichen.“

(Nachfolgend werden einige weitere interessante Vorträge der Essener WAT 2015 kurz aufgegriffen.)

Trinkwasserversorgung in Zeiten
des Demographiewandels

 

Mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Trinkwasserversorgung beschäftigte sich in Essen Dr. Jens Wolf. Die Wasserwerker würden ihre Infrastruktur u.a.

„durch einen Anstieg des Meeresspiegels mit einem resultierenden Vordringen von Salzwasser in die Aquifere an den deutschen Küsten und durch eine veränderte Niederschlagsverteilung“ bedroht sehen. Ferner müsse befürchtet werden, dass es „möglicherweise zu deutlich erhöhten Spitzenlasten im Sommer kommen“ könnte – beispielsweise „durch zunehmenden Tourismus an der Küste sowie einem verstärkten Bedarf von Beregnungs- und Kühlwasser“ (vgl. RUNDBR. 1042/3-4, 903/3-4).

In Zusammenhang mit möglichen Effekten des Klimawandels stellte der Mitarbeiter der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit auch eines der vielen Forschungsprojekte vor, die die Wechselbeziehungen zwischen dem demographischen Wandel und einer stabilen Trinkwasserversorgung zum Gegenstand haben.

In dem Forschungsprojekt NAWAK würden die Auswirkungen des Bevölkerungsrückgangs in Sachsen-Anhalt untersucht – „einer Region, die bereits heute intensiv durch den demographischen Wandel geprägt“ sei. Der Rückgang der Bevölkerungszahlen und die damit einhergehende Reduktion des Trinkwasserbedarfs werde die deutsche Trinkwasserversorgung „nachhaltig verändern“. Deshalb müsse es jetzt darum gehen, „regionale Anpassungsstrategien“ zu entwickeln, um u.a. „die gute Wasserqualität in Deutschland aufrechtzuerhalten“.

Den Energiebedarf in der
Trinkwasserversorgung reduzieren

 

Ein Thema, dass auf den Tagungen der Wasserwerker immer mehr in den Vordergrund rückt, sind die Möglichkeiten zur Energieeinsparung im Wasserwerk und im Verteilungsnetz. Dazu stellten in E­sen Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Günthert von der Bundeswehr-Uni in München die Möglichkeiten vor, die Druckminderung im Rohrnetz zur Stromgewinnung zu nutzen. Anstatt über Druckminderungsventile die Energie im Leitungssystem nutzlos verpuffen zu lassen, könne man zur Stromgewinnung rückwärtslaufende Pumpen einbauen („Pumpe als Turbine“ – PaT):

Die PAT-Technologie eignet sich dafür besonders, da ihr Betriebsbereich bezüglich Volumenstrom und Druckreduktion flexibler als bei herkömmlichen Turbinen und außerdem kostengünstiger ist.“

In einem Simulationsmodell wurde untersucht, wie man die maximal abbaubare Energie in Druckleitungen bedarfsorientiert in elektrische Energie umwandeln kann, „ohne dabei die Versorgungssicherheit und den Komfort der Kunden zu beeinträchtigen“. Die Simulationen und die Tests an Prüfständen wurden eingesetzt, um bei mehreren Wasserversorgungsunternehmen Potenzialanalysen durchzuführen. Das Ergebnis war allerdings ziemlich bescheiden: Die abgeschätzte Energieausbeute lag bei den beteiligten Wasserversorgern „im Bereich von 0,5 bis 5 kW“. [Zum Vergleich: Die Leistung eines Laufwasserkraftwerkes am Oberrhein liegt bei etwa 100.000 kW.]

Wasserwerkspumpen als Stromfresser

 

Einen deutlich höheren „Energiegewinn“ als durch die zuvor genannte PaT-Technologie kann durch einen energieeffizienteren Betrieb der Pumpen im Wasserwerk und im Verteilungssystem erzielt werden. Die diesbezüglichen Potenziale werden bei den deutschen Trinkwasserversorgungsunternehmen noch viel zu wenig ausgenutzt. Das betonten in Essen Dr.-Ing. Harald Roclawski et al. von der Uni Kaiserslautern in ihrem Vortrag „Optimierung der Betriebsweise von Anlagen zur Trinkwasserversorgung im Hinblick auf Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit“. Die Referenten stellten u.a. klar, dass sich der „weitaus energieintensivste Teil der Trinkwasserversorgung“ im Betrieb der Pumpen ergeben würde:

Gerade bei kleineren Versorgungsunternehmen verursachen die Pumpen teilweise mehr als 90 Prozent des gesamten Energieverbrauchs. Die Optimierung des Pumpenbetriebs ist somit eine notwendige Aufgabe für jeden Anlagenbetreiber.“

In der Praxis sei jedoch das Bemühen um einen effizienteren Pumpenbetrieb „nur ansatzweise vorzufinden“. Die Referenten haben deshalb ein Computermodell entwickelt, mit dem auch kleinere Wasserversorger auf vergleichsweise einfache Weise darauf hinarbeiten können, den aufeinander abgestimmten Betrieb ihrer Pumpen energetisch zu optimieren. Dabei wird für alle vorgeschlagenen Lösungen eine Berechnung der Lebenszykluskosten des Pumpenbetriebs durchgeführt.

Der Anwender kann somit ermitteln, wo Kosten entstehen und ob der Austausch oder die Reparatur einer Komponente wirtschaftlich ist.“

Hausinstallationen – wo
verstecken sich die Legionellen?

 

Da man in aller Regel in größeren Wohngebäuden nicht die gesamte Trinkwasserinstallation auf das Vorkommen von Legionellen untersuchen kann, werden nur repräsentative Probenahmestellen untersucht. Dass die üblichen Probenahmestellen nur vermeintlich repräsentativ sind, haben Prof. Dr. Kistemann et. al. in Essen erläutert. Die Autoren haben in mehreren Gebäuden die Hausinstallation in einer hohen Dichte im Hinblick auf das Vorkommen von Legionellen beprobt:

Hierbei zeigt sich innerhalb der Gebäude eine ausgeprägte räumliche Verteilung und zeitliche Variabilität der Ergebnisse in der Größenordnung von bis zu 4 log-Stufen. (…) Der positive Vorhersagewert regelkonform ausgewählter Proben lag bei nur 29 Prozent.“

Das bedeutet umgekehrt: Wo die übliche Routinebeprobung keinen größeren Legionellenbefund ergeben hat, waren in 71 Prozent der Fälle trotzdem Legionellen in erheblicher Zahl irgendwo im Leitungssystem versteckt. Zusätzlich zu den Legionellen hatte das Bonner Forscherteam eine Vielzahl weiterer Parameter untersucht:

Acht Parameter konnten herausgefiltert werden, die jeweils eine deutliche statistische Assoziation mit der Wahrscheinlichkeit eines Legionellen-Nachweises hatten und die sich zu drei thematischen Komplexen zusammenfassen lassen: Temperatur, Stagnation und Peripherie.“

Der positive Vorhersagewert des Clustermodells habe bei 62 Prozent gelegen und sei „damit mehr als doppelt so hoch wie bei regelkonformer Auswahl der Probenahmestellen“ gewesen. Die Autoren fordern deshalb, dass neben der bislang üblichen Routineuntersuchung von Legionellen ergänzend „unbedingt auch die lokalen, objektspezifischen Temperatur- und Stagnationsverhältnisse berücksichtigt werden sollten“.

Scheintote Bakterien und Biofilme
als Kontaminationsquelle

 

In ihrem Vortrag „Überleben pathogener Bakterien in Trinkwasser-Installationen – Einflussfaktoren und Sanierungsmöglichkeiten“ berichteten Thomas Meier & Dr. Bernd Bendinger von der DVGW-Forschungsstelle an der Technischen Hochschule Hamburg-Harburg über das Vorkommen nicht kultivierbarer Bakterien in der Trinkwasserhausinstallation:

Diese nur scheintoten Bakterien (viable but non-culturable – VBNC; s. RUNDBR. 923/2) können wieder zum Leben erwachen und dann ein als sicher geltendes Trinkwasserversorgungssystem kontaminieren. Die Referenten erläuterten, dass aber auch ohne das Vorkommen von VBNC fakultativ pathogene Bakterien „in Toträumen oder gering durchströmten Bereichen in Einbauteilen in kultivierbarer Form überleben“. Der VBNC-Status wäre „somit in den meisten Fällen keine notwendige Voraussetzung für das Überleben“ dieser Bakterien. Damit diese Bakterien erst gar nicht eingeschleppt werden, müsse dem korrekten Bau und Betrieb einer Trinkwasser-Installation „höchste Priorität“ zukommen.

Bakterien in Wasserzählern
– ein systemisches Problem

 

Das Aufregerthema vom Herbst 2014 und vom Frühjahr 2015 in der Wasserwerkerszene war auch auf der WAT2015 ein Vortragsthema wert: Bei der Kontamination von Tausenden von fabrikneuen Wasserzählern mit dem Bakterium Pseudomonas aeroginosa (s. RUNDBR. 1057/3) habe es sich „um ein systematisches Problem“ gehandelt, führte Frau Dr.-Ing. Beate Hambsch vom Karlsruher Technologie Zentrum Wasser (TZW) aus. Die Kontamination der Wasserzähler sei auf eine „Verunreinigung bei der Prüfung/Eichung auf den Prüfständen“ der Hersteller zurückzuführen.

Das lange Leben der Wohnungswasserzähler

 

Wasserzähler waren auch das Vortragsthema von Dr. Henning Schonlau von HAMBURG WASSER und von Dr.-Ing. Gudrun Wendt von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig. Sie berichteten über die angestrebte „Verlängerung der Nutzungsdauer von Wasserzählern“.

Da lt. Landesbauordnungen immer mehr Wohnungswasserzähler eingebaut werden müssen und gleichzeitig der Wasserverbrauch pro Wohneinheit stetig zurückgeht, werde „somit immer weniger Wasser mit immer mehr Wasserzählern gemessen“. Nach Ansicht der Referenten sei „der wirtschaftliche Gesamtaufwand des Zählerwechsels mittlerweile immens“. Es stelle sich deshalb die Frage, ob der vergleichsweise kurzfristige Wechsel der Zähler zur Wahrung der exakten Messgenauigkeit noch länger opportun sei.

Man habe die Daten einer Vielzahl von Wasserversorgungsunternehmen über das Nachlassen der Zählergenauigkeit ausgewertet und zudem „mehrere tausend Wasserzähler nach Ablauf der Nutzungsdauer auf den Prüfstand gestellt“. Dabei habe sich gezeigt, dass Wasserzähler auch noch nach 21 Jahren vergleichsweise exakt den Wasserverbrauch gemessen hätten und dass „ein mechanischer Verschleiß für moderne Wasserzähler kein limitierender Faktor“ sei. Mit einem kontrollierenden Stichprobenverfahren sei es durchaus möglich, die Austauschperioden für Wohnungswasserzähler deutlich zu verlängern.

Kein Nachwuchs im Wasserwerk

 

Fehlende Ingenieure waren bisher die Zukunftsangst in den Führungsetagen der Wasserversor­gungsunternehmen. Wie neuere Prognosen zeigen würden, drohe der Branche „mittelfristig aber der viel größere Personalengpass im Bereich der Beschäftigen mit betrieblicher Ausbildung“. Dementsprechend müsse „sich der Blickwinkel künftig viel stärker auf die Nachwuchsförderung bei den Zielgruppen Facharbeiter, Meister und Techniker erweitern“. Diese Thesen hatte in Essen Dr.-Ing. Markus Ulmer, Obmann des DVGW-Fachkomitees Berufsbildung, vorgetragen. Nach Meinung des Referenten solle deshalb ein Handlungsrahmen für die Gewinnung junger Nachwuchskräfte dabei u.a. folgende Punkte abdecken:

  • Jugendliche im Rahmen der Berufsorientierung bereits im schulischen Bereich für Berufsbilder im Energie- und Wasserfach begeistern,
  • dabei interessante Aspekte technischer Berufe und ihre Entwicklungsmöglichkeiten, z.B. im Rahmen von Schülerpraktika, besonders herausstellen,
  • die Arbeitsorganisation mittelfristig an die Bedürfnisse der Generation Z (und Y) an­passen.“

Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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