aktualisiert:
18. Juli 2008

 

 

 

 

 

 

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  Recht und Unrecht  


WasserInBürgerhand!

 

BBU-Wasser-Rundbrief
Nr. 894 vom 24.Juni 2008

Untote im Umweltgesetzbuch II:
„Alte Rechte“ sind unsterblich!

 

 

Wasserkraftwerke werden teilweise schon seit Jahrhunderten betrieben. Die Nutzung der Wasserkraft kann sich vielerorts auf sogenannte „Alte Rechte“ stützen. Bis in die 1980er Jahre hinein konnten sich zuweilen auch große Industriebetriebe (beispielsweise SOLVAY in Rheinberg am Niederrhein oder die damalige HOECHST AG in Frankfurt am Untermain) bei ihren Abwassereinleitungen auf „Alten Rechten“ aus Kaiser Wilhelms Zeiten jahrzehntelang bequem ausruhen. Denn im Gegensatz zu neuen „Erlaubnissen“ oder „Bewilligungen“ nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) spielte in den „Alten Rechten“ die Gewässerökologie keine Rolle. Wegen des Unsterblichkeitscharakters der „Alten Rechte“ bestand für die Wasserrechtsbehörden kaum eine Chance, ökologische Verbesserungen durchzusetzen. Bei befristeten „Bewilligungen“ konnte zumindest zum Zeitpunkt einer Neukonzessionierung eine wesentliche ökologische Verbesserung angeordnet werden (beispielsweise der Bau einer Fischtreppe bei einer Wasserkraftanlage).

Bei der geplanten Umstellung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) auf das neue Umweltgesetzbuch II (UGB II, siehe RUNDBR. 885/1-4) hätte die Chance bestanden, die unökologische Tradition der „Alten Rechte“ zu beenden. Die Eigentümer „Alter Rechte“ hätten nach Auslaufen einer Übergangszeit um eine Neukonzessionierung nachsuchen müssen, die dann beispielsweise Mindestwassermengen und Maßnahmen zur Schaffung der Durchgängigkeit von Fischen und Geschiebe an Stauanlagen hätte berücksichtigen müssen. Wie nachstehend erläutert wird, ist man im Bundesumweltministerium und in den Koalitionsfraktionen dabei, diese Chance zu verschenken.

 

„Alte Rechte“ im Wasserhaushaltsgesetz

§ 16 Anmeldung alter Rechte und alter Befugnisse

(1) Alte Rechte und alte Befugnisse sind, soweit sie bekannt sind, von Amts wegen in das Wasserbuch einzutragen.

(2) Die Inhaber alter Rechte und alter Befugnisse können öffentlich aufgefordert werden, sie binnen einer Frist von drei Jahren nach der öffentlichen Auf-forderung zur Eintragung in das Wasserbuch anzumelden. Alte Rechte und alte Befugnisse, die bis zum Ablauf dieser Frist weder bekannt geworden noch angemeldet worden sind, erlöschen zehn Jahre nach der öffentlichen Aufforderung, soweit sie nicht bereits vor Ablauf dieser Frist aus anderen Rechtsgründen erloschen sind; auf diese Rechtsfolge ist in der öffentlichen Aufforderung hinzuweisen. (…)

(3) Dem früheren Inhaber eines nach Absatz 2 Satz 2 erloschenen alten Rechts ist auf seinen Antrag eine Bewilligung im Umfang dieses Rechts zu erteilen, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung vorliegen.

(4) Wer durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle gehindert ist, die Frist des Absatzes 2 Satz 1 einzuhalten, kann die Anmeldung binnen einer Frist von drei Monaten nach Beseitigung des Hindernisses nachholen.

 

 

„Alte Rechte“ im alten Wasserhaushaltsgesetz (WHG)
 


Im bislang noch geltenden WHG nehmen die „Alten Rechte“ eine Sonderstellung ein: Bisher sind die alten Rechte und Befugnisse in den Paragrafen 15 und 16 WHG geregelt (siehe obenstehenden Kasten). § 16 WHG besagt, dass die „Alten Rechte“ in das Wasserbuch eingetragen werden sollten; wonach sie dann unbefristet fortbestehen. Somit bestand nur nach einer öffentlichen Aufforderung Handlungsdruck in Form einer 3-Jahres-Frist, die „Alten Rechte“ in das Wasserbuch eintragen zu lassen, da diese sonst zehn Jahre nach der Aufforderung erloschen wären.

Die Aufforderung, „Alte Rechte“ eintragen zu lassen, ist in den alten Bundesländern schon in den 1960er Jahren erfolgt. Die Drei-Jahres-Frist konnte durch ominöse „Naturereignisse“ noch verlängert werden (siehe Abs. 4). Und drohte ein „Altes Recht“ nach dieser § 16-Regelung zu erlöschen, konnte der ehemalige Inhaber anschließend einen Antrag auf eine Bewilligung im gleichen Umfang stellen (siehe Abs. 3)! Die Existenz „Alter Rechte“ musste nur behauptet, aber nicht nachgewiesen werden. Da das Wasserbuch grundsätzlich nicht die Wirkung des Grundbuchs hat, galt die Vermutung der Richtigkeit (Gutglaubensschutz).

Im Entwurf des Umweltgesetzbuches II (UGB II) vom Nov. 2007 war zunächst vorgesehen, dass „Al-te Rechte“ nach 15 Jahre erlöschen sollten. Diese Regelung ist im UGB II-Entwurf vom Mai 2008 wieder gekippt worden. Mehr dazu im nächsten Absatz.

UGB II: Der angekündigte Tod der
„Alten Rechte“ nach 15 Jahren

 

Im Referentenentwurf zum neuen Umweltgesetz-buch (UGB) II war mit § 88 Abs. 3 vorgesehen, dass alle noch nicht im Wasserbuch eingetragenen „Alten Rechte“ ohne gesonderte Aufforderung der Behörden spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten des UGB II zur Eintragung hätten angemeldet werden müssen, ansonsten wären die „Alten Rechte“ fünf Jahre nach Inkrafttreten des UGB erloschen. Sollte noch vor Inkrafttreten des UGB eine öffentliche Aufforderung gestellt worden sein, woraufhin das Recht jedoch (noch) nicht eingetragen wurde, hätte die Regelung des § 16 Abs. 2 WHG fortgegolten und die „Alten Rechte“ wären 10 Jahre nach der Aufforderung erloschen. Alle dann noch nicht erloschenen „Alten Rechte“ – auch die bereits im Wasserbuch eingetragenen sind hier eingeschlossen – wären spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten des UGB II erloschen (§ 88 Abs. 3 Satz 4 UGB II).

Inhaber „Alter Rechte“ hätten also spätestens fünfzehn Jahre nach Inkrafttreten des UGB II für ihre Uraltkraftwerke um eine neue Konzession nachsuchen müssen. Und spätestens dann hätten alle Erfordernisse des Gewässerschutzes in der Neukonzessionierung berücksichtigt werden können. Wegfallen sollte im UGB die Erlöschung „Alter Rechte“ durch eine längere Nichtbenutzung (§ 15 (4) 1.). Sowohl im WHG als auch im neuen UGB II bleibt die Möglichkeit, „Alte Rechte“ vorzeitig erlöschen zu lassen, wobei jedoch angemessene Entschädigung zu leisten ist.

Fazit: Das Ziel von § 88 im UGB II-Entwurf vom Nov. 2007 war es, die alten und teilweise seit Jahrhunderten bestehenden Rechte schrittweise erlöschen zu lassen, da diese oft schon lange nicht mehr den aktuellen Regelungen und Gesetzen entsprachen. - kb -

§ 88: Ein Musterbeispiel
unverständlicher Gesetzesformulierungskunst
 

Unter dem Aspekt der Ökologie ist es höchst bedauerlich, dass das automatische Auslaufen aller „Alten Rechte“ jetzt aus dem ursprünglichen UGB II-Entwurf gestrichen worden ist. Unter dem Gesichtspunkt der Gesetzesverständlichkeit hält sich das Bedauern allerdings in Grenzen. Wie der Kasten auf S. 3 zeigt, ist § 88 ein Musterbeispiel absolut unverständlicher Gesetzesformulierungskunst. Der Anspruch, mit dem UGB II mehr Klarheit zu erzielen, wäre am wenigsten mit § 88 einzulösen gewesen.

Zwecks mehr Klarheit über die ursprünglichen UGB II-Intentionen können AbonnentInnen des RUNDBR. via E-Mail an nik@akwasser.de ein Ablaufschema zum Erlöschen „Alter Rechte“ kostenlos als pdf-Datei anfordern. Das von uns erstellte Ablaufschema verdeutlicht die komplexe Prozedur zum Auslaufen der „Alte Rechte“, wie sie in § 88 UGB II vorgesehen war.

Investitionssicherheit! Investitions-
schutz! Investitionssicherheit!
 

Die geballte Empörung der Lobbyisten von Industrie, Bauernverband und anderen Interessengruppen schlug bei der Verbändeanhörung am 18. Juni 2008 in Berlin zum Entwurf für das Umweltgesetzbuches II den VertreterInnen des Bundesumweltministeriums entgegen. Fast alle Redebeiträge drehten sich in fast schon hysterischem Ausmaß um die Investitionssicherheit und den Investitionsschutz. Denn die Sicherheit der Kapitalanlagen sei mit dem Gesetzesentwurf nicht mehr gewährleistet.

Ursache für die Massenhysterie bei den Lobbyisten war das Vorhaben des BMU, das bisherige Genehmigungsinstrument der „Bewilligung“ im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) durch eine „Integrierte Vorhabensgenehmigung“ im UGB I und II zu ersetzen. Die bisherige „Bewilligung“ nach § 8 WHG hat eigentumsrechtlichen Charakter und kann nach § 12 WHG nur gegen Entschädigung gecancelt werden (abgesehen von seltenen Spezialfällen, die in § 5 WHG geregelt sind). Dieser eigentumsrechtliche Charakter der „Bewilligung“ sei in der „Integrierten Vorhabensgenehmigung“ nicht mehr zu erkennen, klagten die Interessenvertreter im Chor.

Da konnten die BMU-Vertreter mit Engelszungen erklären, dass sich zwar die Begrifflichkeiten ändern würden, die materiellen Inhalte aber gleich blieben – es half nichts: Ein Lobbyist bestärkte den anderen, dass der UGB-Entwurf ein beispielsloser Angriff auf das Eigentum von Kapitalanlegern, Firmenbesitzern, Wasserkraftbetreibern, Mineralwasserfabrikanten, Wasserwerkern und Bauern sei. Keine theoretisch-abstrakte Konstruktion war den Juristen aus den Reihen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, des Deutschen Bauernverbandes und zahlreicher anderer Lobbygruppen zu absurd, um sie gegen die Entwürfe zum UGB I und II ins Feld zu führen. Dass das BMU gegenüber der Fassung vom Nov. 2007 im Entwurf vom Mai 2008 bereits zahlreiche Weichmacher implementiert hatte, fand bei den Lobbyisten keine Anerkennung. Marschrichtung der Interessenvertreter war: Wenn das BMU zurückweicht, stoßen wir um so entschlossener nach. -ng-

 

„Alte Rechte“ im Umweltgesetzbuch II

§ 88 Überleitungsregelung für bestehende Zulassungen von Gewässerbenutzungen

(…)
(3) Alte Rechte und alte Befugnisse im Sinne des § 15 Abs. 4 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes (…) (alte Rechte und alte Befugnisse), die bis zu diesem Tag noch nicht im Wasserbuch eingetragen oder zur Eintragung in das Wasserbuch angemeldet worden sind, können bis zum … [einsetzen: Datum des Tages, der ein Jahr nach dem Tag des Inkrafttretens dieses Buches liegt] bei der zuständigen Behörde zur Eintragung in das Wasserbuch angemeldet werden;

(…) Satz 1 gilt nicht für alte Rechte und alte Befugnisse, die nach einer öffentlichen Aufforderung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes (…) innerhalb der dort genannten Frist nicht zur Eintragung in das Wasserbuch angemeldet worden sind; für diese alten Rechte und alten Befugnisse gilt § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Wasserhaushaltsgesetzes in der am … [einsetzen: Datum des Tages, der vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Buches liegt] geltenden Fassung. Alte Rechte und alte Befugnisse, die nicht nach Satz 1 angemeldet worden sind, erlöschen am … [einsetzen: Datum des Tages, der fünf Jahre nach dem Tag des Inkrafttretens dieses Buches liegt], soweit das alte Recht oder die alte Befugnis nicht bereits zuvor aus anderen Gründen erloschen ist. Alte Rechte und alte Befugnisse, die nicht nach Satz 3 oder nach § 16 Abs. 2 Satz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes in der am … [einsetzen: Datum des Tages, der vor dem Tag des Inkraft-tretens dieses Buches liegt] geltenden Fassung erlöschen, gelten bis zum … [einsetzen: Datum des Tages, der fünfzehn Jahre nach dem Tag des Inkrafttretens dieses Buches liegt] fort, soweit das alte Recht oder die alte Befugnis nicht bereits zuvor aus anderen Gründen erloschen ist.

Für die nach Satz 4 fortgeltenden alten Rechte und alten Befugnisse gilt § 15 Abs. 4 des Wasserhaushaltsgesetzes (…) mit der Maßgabe, dass sie gegen Entschädigung widerrufen werden können, soweit von der Fortsetzung der Benutzung eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten ist. Für diese alten Rechte und alten Befugnisse können nach Maßgabe von § 4 und unbeschadet des § 5 des Wasserhaushaltsgesetzes (…) auch Benutzungsbedingungen oder Auflagen festgesetzt werden.
(4) …

 

 



Der seit 25 Jahren erscheinende BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet alle 14 Tage über das aktuelle Geschehen in der Wasserwirtschaft und in der Wasserpolitik sowie im Gewässerschutz. Ansichtsexemplare dieses aquatischen Informationsdienstes der anderen Art können kostenlos via E-Mail an nik@akwasser.de angefordert werden.

 

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