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12. März 2007

 

 

 

 

 

 

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  Recht und Unrecht  

WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 25.2.2007

 

Werteverschleiß im Abwasserkanal

Wenn Kommunalpolitiker die
Infrastruktur gegen die Wand fahren

 
„Die bestehenden Kanalnetze müssten eine Lebenserwartung von rd. 400 Jahren aufweisen, damit die zurzeit durchgeführten Maßnahmen in Höhe von rd. 1,64 Mrd. Euro pro Jahr langfristig für den Werterhalt des Netz-Anlagenvermögens von rd. 330 Mrd. € ausreichen. Daraus lässt sich ein erheblicher Investitionsstau bzw. ein Werteverschleiß ableiten“,

heißt es in der Kurzfassung einer Dissertation (in der GWF-WASSER/ABWASSER 2/07, S. 148). In der Doktorarbeit wird weiterhin festgestellt, dass der schlechte Zustand der Kanalanlagen „meist bekannt“ sei, dass aber trotzdem Flickschusterei überwiegen würde,

„bei der nur die dringendsten Schäden sofort und unter Zeitdruck und/oder unter kurzfristigen Kostengesichtspunkten behoben werden (Gefahrenabwehr, 'Feuerwehrstrategie’)“.

Wenn Kanalisationen auf Verschleiß gefahren würden, würde sich der Substanzwertverlust in vielen Fällen aber erst in zwanzig oder dreißig Jahren zeigen. Dr.-Ing. MARTIN WOLF, der Verfasser der Dissertation, rät deshalb dazu, bei der Vergabe von Kanalnetzkonzessionen „zusätzlich zur Definition der technischen Anforderungen an das Kanalnetz, Regelungen zu Mindest-Investitionsraten bzw. zu Bildung von Rücklagen zum Ausgleich von ggf. auftretenden Substanzwertverlusten“ in den Konzessionsvergabevertrag aufzunehmen.

(Die Dissertation ist als Heft 95 in der Reihe „Mitteilungen des Instituts für Wasserwesen“ der Uni der Bundeswehr München, Oldenbourg Industrieverlag, Essen, ISBN 3-8356-3117-9, erschienen.)

 


Wenn Kommunalpolitiker die
Infrastruktur gegen die Wand fahren

Die Aktionsgruppen und Verbände, die die Privatisierung der kommunalen Wasser- und Abwasserbetriebe ablehnen, argumentieren vielfach damit, dass renditeorientierte Wasser- und Abwasserkonzerne die Infrastruktur der Wasserver- und der Abwasserentsorgung zwecks Profitmaximierung gegen die Wand fahren würden. Diese in die Zukunft gerichtete Befürchtung ist nicht unbegründet, wenn man sich anschaut, wie in der sonstigen Privatwirtschaft vielerorts die Anlagen auf Verschleiß betrieben und Unternehmen von „Heuschrecken“ ausgebeint werden.

In der Gegenwart müssen wir uns allerdings damit auseinandersetzen, dass auch in den kommunalen Wasser- und Abwasserbetrieben schon seit Jahren der Substanzverlust eher die Regel als der Ausnahmefall ist (siehe die oben er-wähnte Dissertation). Dies liegt zum einen an der chronischen Finanznot der Kommunen. Dass jetzt auf Grund steigender Steuereinnahmen der Geldsegen über die Kommunen hereinbricht, dürfte wohl nur vorübergehender Natur sein.

Wichtiger für den grassierenden Substanzverlust ist aber, dass die Kommunalpolitiker - vom Bürgermeister bis zu den Gemeinderäten - über Jahre hinweg der Versuchung erlegen sind, die Gebühreneinnahmen aus der Wasserver- und der Abwasserentsorgung systematisch zweckzuentfremden. Oder dass man es aus falscher politischer Rücksichtnahme gegenüber seinem jeweiligen Klientel nicht gewagt hatte, längst überfällige Gebührenerhöhungen zu beschließen.

Dass auf Grund dieser falschen Politik die kommunale Infrastruktur zusehends verlottert, liefert jetzt den Apologeten der Privatisierung die Rechtfertigungsgründe für eine Privatisierung frei Haus. Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungsindustrie (BDE) hat längst erkannt, wo die offene Flanke der Kommunen liegt. Mit Genuss streuen die BDE-Funktionäre bei jeder sich bietenden Gelegenheit Salz in diese Wunde: Nur mit Hilfe von privatem Kapital ließe sich der galoppierende Substanzverzehr noch aufhalten, tönt es in den BDE-Publikationen.

Was lernt man aus diesem Versagen der Kommunalpolitik? Die kommunale Herrschaft über die Anlagen der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung ist mitnichten ein Garant für eine nachhaltige Siedlungswasserwirtschaft. Es bedarf wacher Bürgergruppen, die Gemeinderäten und Bürgermeistern auf die Finger schauen. Wenn die Zivilgesellschaft nicht bereit ist, sich um so dröge Themen wie Wasser- und Kanalrohre zu kümmern, braucht sich niemand zu wundern, wenn Kommunalpolitiker genau das betreiben, was man den privaten Wasserkonzernen unterstellt: Den Substanzverlust zum Prinzip zu erheben.

- ng -

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 

 
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