In
          Sichtweite der EU-Kommission fand am 7. und 8. Januar 2008 in Brüssel
          ein Seminar über „Alternativen zur Privatisierung
          und Kommerzialisierung der Wasserversorgung in Europa“ statt. Über
          50 Teilnehmer aus 13 europäischen Ländern, darunter drei
          deutsche Teilnehmer, versuchten eine aktuelle Bestandsaufnahme von
          lokalen, nationalen und
          von der EU ausgehenden Schritten zur weiteren Privatisierung im Wassersektor,
          sich dagegen formierender Widerstände und (weniger) Beispiele
          eines nicht von Kommerzstreben geprägten öffentlichen Wassermanagements.
          
      Bei
          rund 20 Kurzvorträgen und drei abschließenden Arbeitsgruppen
            wurde die Schwierigkeit deutlich, ein umfassenderes Bild zu gewinnen
            und zugleich einen gemeinsamen Handlungsrahmen mit dem Anspruch auf
            praktische Relevanz zu formulieren. Einigkeit bestand, dass die „alte“ Privatisierung
            ebenso wenig tot sei wie politischer Druck auf öffentliche
            Betriebe zum Outsourcing (zum Beispiel in Schottland nach dem Water
            Industry
            Act von 2002, Verkauf des Wasseruntersuchungslabors in Stockholm
            nach mehreren Liberalisierungsschritten). 
      Vor
          allem an Europas Rändern
              greift der Wasserkommerz um sich: In der georgischen Hauptstadt
              Tiflis wurde die Wasserversorgung an eine schweizerische Investorengruppe
              verkauft, die türkische Regierung fördert die Wasserprivatisierung
              in vielen Städten und will sogar, unter dem Einfluss von Goldförderfirmen,
              einige wichtige Flüsse verkaufen (s. RUNDBR. 868/1). 
      Die
          EU-Agenda wurde als nachhaltige Gefahr beschrieben, der mehr Aufmerksamkeit
                in allen bestehenden Verästelungen gelten müsse, zumal
                das Interesse der Wassermultis immer stärker auf die sicheren „Renten“ im öffentlichen
                Wassersektor gerichtet sei. Die PPP-Geschäfte (s.
                873/1) blieben
                in diesem Zusammenhang etwas unterbelichtet. 
      Signalwert
          wird die Frage erhalten, ob nach Auslaufen der VEOLIA- und SUEZ-Konzessionen
                  in Paris
                  im nächsten Jahr eine Rekommunalisierung durchsetzbar sein
                  wird (s. 832/1-2 „VEOLIA-freie
                  Zonen in Frankreich“).
                  Zahlreiche weitere Wasserkonzessionen werden in Frankreich
                  in den nächsten
                  Jahren ebenfalls auslaufen. 
      In
          Italien hat die Bürgerbewegung
                  FORUM ITALIANO DEI MOVIMENTI PER L´AQUA
       www.aquabenecomune.org
       Auftrieb
          erhalten. Dies war u.a. die Folge eines kürzlich ergangenen
                    Parlamentsbeschlusses, nach der die Privatisierung öffentlich-rechtlicher
                    Wasserbetriebe in Italien einem Moratorium unterworfen wird.
                    Zudem gab es eine große Demonstration in Rom gegen
                    den Wasserkommerz. Das „FORUM“ fordert eine Rekommunalisierung
                      für die
                      unter BERLUSCONI bereits privatisierten Städte. 
      In
            der spanischen Provinz Sevilla (Andalusien) wurde versucht,
                          trotz eines Dutzends
                          privater Firmen einen öffentlichen Verbund (consortio)
                          von Wasserwerken zu schaffen, der auf mehr Transparenz
                          und Bürgerbeteiligung setzt
                          und die kleinen Wasserwerke unterstützt. Auf allgemeinerer
                          Ebene wurde auf dem Brüsseler Wassermeeting die
                          Forderung erhoben, das Thema der öffentlichen Wasserversorgung
                          zu politisieren, den Raum für Unzufriedenheit mit
                          der Politik von Regierungen zu erweitern und sich Definitionsmacht
                          für das zu erobern, was öffentliche
                          Güter bedeuten (sollen). - kr -
       
      
        
          
             
                EU-weite Vernetzung gegen Wasserprivatisierungen 
             Das
                zuvor genannte Seminar in Brüssel zu Privatisierungsalternativen
                fand auf Einladung des in Amsterdam ansässigen TRANSNATIONAL
                INSTITUTE (TNI) (www.tni.org) statt, einem alternativen Forschungsinstitut
                und Netzwerk von studentischen Aktivisten.  
            Mitorganisator
                war die dem TNI assoziierten Gruppe RECLAIMING PUBLIC WATER (RPW).
                  Die eng damit verbundene Forschungsgruppe CORPORATE EUROPE
                OBSERVATORY
                  (CEO) (www.corporateeurope.org) sitzt ebenfalls in Amste-dam. 
             Ein
                Impuls, dass nicht nur Bürgergruppen sich auf das
                    gemeinsame Erbe der öffentlichen Wasserwirtschaft besinnen,
                    könnte
                    von „AQUA PUBLICA EUROPEA“ ausgehen, einer neuen
                    Vereinigung der öffentlichen Wasserversorgungsunternehmen,
                    die ihr erstes Treffen am 21. Februar in Paris abgehalten
                    hat, anscheinend unter
                    dem Patronat der französischen Vereinigung gemischtwirtschaftlicher
                    Unternehmen (SEM).  
            In
                der Brüsseler Wasserversammlung
                      erging der Aufruf, sich in einem EUROPEAN WATER NETWORK
                      zusammenzuschließen,
                      das sich (als Netzwerk der Netzwerke) im September 2008
                      auf dem Europäischen Sozialforum in Malmö erstmals
                      präsentieren
                      soll (vgl. auch RUNDBR. 834/2: „Le combat pour l’eau“ & “Association
                      pour le contract mondial de l’eau”).  
            Für
                        das offiziöse
                        World Water Forum im März 2009 in Istanbul werden
                        türkische
                        Aktivisten ein alternatives Forum vorbereiten. Ein ausführlicher
                        Bericht über das Brüssel-Seminar wird von den
                        Veranstaltern noch erstellt und auf den Webseiten von
                        TNI und CEO verbreitet.
                         
            Kontakt                bei spezifischem Interesse über  
                  Olivier Hoedeman 
                  E-Mail: olivier@corporateeurope.org  
                         
             
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