In
          der Stadt Bergkamen, im Norden des Ruhrgebiets, führt Bürgermeister
          Roland Schäfer (SPD) ein talkshowreifes Dasein. Auf seiner Homepage
          listet er seine Veröffentlichungen auf – Hauptwerk: „Vom
          Reiz des Restmülls“. Und unter der Rubrik „Beamtenwitze“ veräppelt
          der Bürgermeister mit seiner beachtlichen Sammlung die eigene
          Zunft. Die Seite weist mit Abstand die meisten Klicks auf.
       Mit
          anderen Worten und Taten hat Bürgermeister Schäfer die
          Humorgrenze weit überschritten. Zumindest gilt das für das
          Management des Wasserversorgers der Stadt, des Unternehmens Gelsenwasser.
          Dem kündigte Schäfer Mittwoch vergangener Woche nach Beschluss
          des Rates den Konzessionsvertrag. Schäfer fürchtet, dass Gelsenwasser
          vom Energieriesen RWE geschluckt wird, dessen Vorstand Pläne für
          einen Zusammenschluss schon öffentlich diskutiert. Der rebellische
          Bürgermeister glaubt jetzt, dass Gelsenwasser unter seinem neuen
          Eigentümer RWE eines Tages „durch französische Unternehmen
          wie Veolia oder Suez“ übernommen werden könnte. Ein Horror
          für Schäfer, der das Beispiel Berlin vor Augen hat. Dort sind
          RWE und Veolia Großaktionäre von Berlinwasser – und
          die Berliner zahlen pro Jahr fast 200 Euro mehr für ihr Wasser als
          die Bürger an der Ruhr. Schäfer will daher, dass die Versorgung
          wieder in kommunale Hände übergeht. Für 18 Millionen Euro
          will er das 212 Kilometer lange Netz für 11.300 Bergkamener Wasserkunden
          zurückkaufen: „Das Geld haben wir.“
       Der
          Trotz liegt im Trend; ihren Versorgern geben immer mehr Kommunen den
          Laufpass. Sie stört die Arroganz der Macht, die ihnen von den
            Chefetagen von RWE, E.On oder Suez entgegenweht. Und sie glauben, viele
            Dienstleistungen billiger an den Bürger bringen zu können.
            Zwei Dutzend Gemeinden denken zurzeit daran, ihre Versorgung zu rekommunalisieren.
       Aufmüpfigkeit der Kommunen ist für Versorger gefährlich
       Einige
          sind längst so weit. Im Rhein-Sieg-Kreis bei Bonn ging die
                Müllabfuhr der Firma Remondis wieder in kommunale Hände. Bis
                spätestens 2011 soll auch die Abfuhrkonzession dem Unternehmen Sita,
                einer Suez-Tochter, wieder entzogen werden. Der Kreis will in Eigenregie über
                eine Million Euro im Jahr sparen. In Recklinghausen, RWE-Stammgebiet
                seit 1899, läuft die Netz-Konzession 2010 aus. Ratsherren wollen
                RWE kündigen und das Netz selbst übernehmen. So wie in Wolfshagen
                im Harz. Dort hat die Minigemeinde fünf Kilometer Hochspannungsnetz
                und 80 Kilometer Niederspannungsleitungen von E.On gekauft. Jetzt will
                die stolze Kommune einen Windpark bauen, dessen Strom günstig
                ins Eigennetz gespeist wird.
       Im
          hessischen Bad Vilbel bewirtschaften die Kommune seit acht Jahren das
          170 Kilometer lange Stromnetz, das sie von E.On übernahm. Die
                  Gemeinde möchte nun für ihre Vorstadt Gronau einen Netzzipfel
                  von zehn Kilometern von E.On hinzukaufen. Auch hier läuft die Konzession
                  aus. Doch der Konzern, der sein Gesamtnetz auf Druck der EU in eine Netz
                  AG ausgründen will, wehrt sich mit juristischer Hinhaltetaktik.
                  Der Bad Vilbeler Versorgungschef Klaus Minkel ist frustriert: „Die
                  wollen die Macht behalten.“
       Die
          Aufmüpfigkeit der Kommunen ist für die großen Versorger
                    gefährlich, wenn es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen über
                    den Wert der Netze kommt. Als die Stadt Bergkamen vor Jahren das Stromnetz
                    vom RWE-Vorgänger VEW übernahm, scheute der Konzern eine Gerichtsverhandlung,
                    in der Details zur Stromversorgung publik geworden wären. VEW einigte
                    sich mit der Kommune und bestand auf Geheimhaltung des Kaufpreises. Niemand
                    sollte etwas über die Rendite erfahren, die der Konzern
                    mit Bergkamen macht.
       Teils
          böse Überraschungen
                  Nach Übernahmen kommt es manchmal zu bösen Überraschungen.
                        So staunte die nordrhein-westfälische Gemeinde Nümbrecht, als
                        sie das von RWE gekaufte Stromnetz inspizierte. Nicht auf Hochglanz gewienerte
                        Trafos sahen sie, sondern staubige Teile aus den Dreißigerjahren.
       So
          wie jetzt in Ahrensburg bei Hamburg. Dort übernahm die Stadt
                          das Gasnetz von E.On Hanse. Zeitweilig konnte der Gaspreis danach bis
                          zu zehn Prozent unter dem Durchschnitt der von E.On versorgten Nachbargemeinden
                          gehalten werden. Nur an den Zustand des E.On-Gasnetzes, „das teilweise
                          aus den Fünfzigerjahren stammte“, so ein Kommunaler, erinnert
                          man sich mit Grauen. Die Gasleitungen waren zwar dicht – „wurden
                          aber an einigen Stellen nur noch vom Rost zusammengehalten“.