Leipzigs
                Oberbürgermeister zeigte sich flexibel. Das Ergebnis des
                Bürgerentscheids sei "ein klares Bekenntnis" der
                Leipziger zu städtischen Unternehmen, sagte Burkhard Jung
                (SPD). "Im Ergebnis zeigten die Bürger allen hemmungslosen
                Privatisierern die rote Karte", applaudierte er. Obwohl
                Jung selbst es war, der einen Minderheitsanteil der Stadtwerke
                von 49,9 Prozent an den französischen Konzern Gaz de France
                verkaufen wollte, um Schulden abzubauen. Am Sonntagabend war
                klar, dass die Bürger diesen Plan kippen.
       Knapp
          149.000 stimmten im ersten Bürgerentscheid Leipzigs gegen die
          Teilprivatisierung, das waren rund 87 Prozent der abgegebenen Stimmen.
          Die Bürgerinitiative, die gegen den Verkauf mobilisiert hatte,
          wertete das Votum als "großen Erfolg für die Demokratie".
          Mitinitiator Mike Nagler sagte am Montag: "Das Ergebnis gibt der
          Politik eine klare Richtungsvorgabe, wie sie künftig mit kommunalen
          Unternehmen umzugehen hat."
       Tatsächlich
          haben die Leipziger nicht nur über die Stadtwerke entschieden,
          sondern sämtliche Großverkäufe städtischen Eigentums
          in den nächsten drei Jahren wirksam verhindert. So lange ist das
          Ergebnis bindend. Der Bürgerentscheid bezog sich nämlich
          allgemein auf "kommunale Unternehmen und Betriebe, die der Daseinsvorsorge
          dienen" - zu denen zählen in Leipzig zum Beispiel auch die
          Wasserwerke, die Stadtreinigung, eine Wohnungsbaugesellschaft oder
          ein Krankenhaus. "Ich setze künftig auf die weitere Stärkung
          der kommunalen Familie", kündigte Jung gehorsam an. Die Stadtwerke
          wirtschaften profitabel und machen jedes Jahr einen Gewinn von 40 Millionen
          Euro.
       Jung
          muss nun eisern sparen. Sein Haushaltsentwurf, der Anfang Februar beschlossen
          werden sollte, ist hinfällig, weil er auf den Stadtwerke-Einnahmen
          basiert. Gaz de France hatte 520 Millionen Euro für die Stadtwerke-Anteile
          geboten. Den Erlös wollte Jung nutzen, um Kredite der Stadt und
          der Stadtwerke-Muttergesellschaft, der Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft,
          zu tilgen und um in Kitas und Schulen zu investieren. Alle Ausgaben
          gehörten jetzt auf den Prüfstand, sagte Jung. "Wir werden
          heftig rudern müssen."
       Nagler
          von der Bürgerinitiative glaubt nicht, dass das Problem der Verschuldung
          mit Verkäufen zu lösen ist. "Dresden ist das beste Beispiel.
          Die Stadt nimmt in diesem Jahr wieder sechs Millionen Euro Schulden
          auf. Und wieder sind Privatisierungen in der Diskussion." Dresden
          hatte vor zwei Jahren seinen kompletten Wohnungsbestand für fast
          1,7 Milliarden Euro an einen US-Investor verkauft - und auf einen Schlag
          alle Schulden getilgt.
       Der
          Leipziger Bürgeraufstand steht für einen Trend. Nach Angaben
          des Vereins Mehr Demokratie sind Privatisierungen städtischer
          Betriebe immer wieder Thema direktdemokratischer Initiativen. Ende
          2006 verhinderte ein Bürgerentscheid in Freiburg den Verkauf städtischer
          Wohnungen, in Meißen wurde die Entscheidung für den mehrheitlichen
          Verkauf der Kliniken zurückgenommen. Und in Schwerin entschied
          der Stadtrat Mitte 2007 gegen den Verkauf der Wohnungsgesellschaft
          - ganz im Sinne eines Bürgerbegehrens.