Neben
          dem Disput über den Entwurf für eine EU-Dienstleistungskonzessionsrichtlinie
          (s. RUNDBR. 1007 und 1009) treibt
          derzeit kaum ein Thema die Wasser- und Abwasserwerker so um, wie die
          eskalierenden Negativfolgen des „Wassersparens“:
          Mehr oder weniger stagnierendes Wasser in den Trink-wasserleitungen
          führt zu Qualitätseinbrüchen bei der Trinkwassergüte – und
          in den Kanalisationen bleiben die Knödel liegen (s.
          RUNDBR. 984/1, 952/ 2, 856/3-4). Der sich bildende Faulschlamm
          setzt immer mehr Faulgase frei. Die giftigen Faulgase bedeuten nicht
          nur eine
          ständige Gefährdung der Kanalarbeiter; die Faulgase führen
          auch zu wachsenden Geruchsbelästigungen aus immer mehr Gullys.
          Darüber hinaus kommt es wegen der Faulgase in einer stetig zunehmenden
          Zahl von Kanalisationen zur biogenen Schwefelsäurekorrosion: Der
          Beton der Röhren zerbröselt zusehends (s. 745/3-4, 623/3-4,
          421/2, 402/3-4). 
      Besonders
          gravierend sind diese Probleme in den ostdeutschen Bundesländern,
          wo der Pro-Kopf-Wasserbedarf noch ein Mal niedriger liegt als in den
          meisten westdeutschen Regionen. Hinzu kommt die Entvölkerung
            ganzer Regionen, wo in vielen Dörfern, Klein- und Mittelstädten
            die Bevölkerung seit der „Wende“ um ein Viertel
            zurückgegangen
            ist - und wahrscheinlich in den nächsten 20 Jahren noch ein
            Mal ein Viertel der Bevölkerung wegsterben oder abwandern wird.
            
      In
          Mecklenburg-Vorpommern will man jetzt das Desaster im Kanalrohr nicht
              mehr tatenlos hinnehmen. Um die Spülwirkung in den Kanalisationen
              wieder zu verstärken, hat das Schweriner Umweltministerium
              die Bevölkerung zum 1. April unter dem Motto „BigFlush“ zur
              kollektiven Sitzung aufgefordert: Alle, die ihre drängenden
              Bedürfnisse
              zeitgenau steuern können, sollen sich ab sofort immer fünf
              Minuten vor zwölf zur großen Sitzung begeben. Wenn dann
              gegen 12 Uhr die Klospülung betätigt wird, kann durch
              den BigFlush mit einer anschwellenden Abwasserflut gerechnet
              werden. 
      Die
          Planer in der Wasserwirtschaftsabteilung des Umweltministeriums in
          Schwerin
          gehen davon aus, dass der Big Flush um 12 Uhr dicke ausreichen wird,
          um alle Faulschlammablagerungen in den Kanalisationen in Richtung
        Kläranlage wegzuspülen. Voraussetzung für den befreienden
        Spülstoß ist allerdings, dass sich mindestens 50 Prozent der
        Bevölkerung an der großen Sitzung beteiligt. Die Big Flush-Planer
        in Schwerin sind zuversichtlich, dass dieses Limit erreicht wird, da
        viele in der DDR groß gewordenen Bewohner noch Kollektivaktionen
        gewohnt sind – vom gemeinsamen Subbotnik bis zu den Massendemos
        zum 1. Mai oder zu ERICH HONECKERS Geburtstag. Und außerdem: Je
        mehr Menschen sich am kollektiven Big Flush beteiligen, desto geringer
        kann der Anstieg der - in Mec-Pomm ohnehin besonders hohen - Abwassergebühren
        gehalten werden. Denn je größer der Kanal-Tsunami um 12 Uhr,
        desto mehr Geld lässt sich bei Kanalwartung, - sanierung und –rückbau
        sparen. 
      Einzig
          die FDP hat sich bislang gegen den BigFlush ausgesprochen: Die Idee
          der großen Koalition von SPD und CDU unter Führung
          des Ministerpräsidenten ERWIN SELLERING (SPD) sei ein beispielloser
          Angriff auf die individuellen Freiheitsrechte – und das ausgerechnet
          bei einem der intimsten menschlichen Bedürfnisse. 
      Weitere
          Auskunft zur ansonsten beispielgebenden BigFlush-Initiative aus Deutschlands
            Nordosten:
            Umweltministerium Mecklenburg-Vorpom.
            Abteilung 4 - Wasser und Boden
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