aktualisiert: 
	       1. Dezember 2013 
	      
	    
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         WasserInBürgerhand! 
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      BBU-Wasserrundbrief,
            15.11.2013 
        
                    „FRABO-Urteil“:
                Freier Warenverkehr         
                bedroht Trinkwassersicherheit 
      
               
       
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              Wie
                  die Deregulierung der Märkte                  Hygiene- und Umweltstandards unterpflügt 
              Das
                  derzeit zwischen der EU und der USA verhandelte                Freihandelsabkommen
                  birgt die Gefahr, dass                Sozial-, Gesundheits-
                  und Umweltstandards nivelliert                werden könnten.
                  Wie jetzt schon der Vorrang                des freien Warenverkehrs
                  in der EU die Hygienestandards                in der Trinkwasserversorgung
                  in Frage                stellt, ist Schwerpunktthema dieser Ausgabe des 
                BBU-WASSER-RUNDBRIEFS. Es geht um das sogenannte                FRABO-Urteil,
                das die Selbstverwaltung in                der deutschen Trinkwasserbranche
                unterminiert. 
                Nicht mehr der Sachverstand der Wasserwerker                selbst,
                sondern die RichterInnen des 2. Senats des                OLG
                Düsseldorf haben über Hygiene- und Gesundheitsstandards                in
                der Trinkwasserversorgung entschieden– und zwar unter dem
                Primat des freien                Warenverkehrs in der EU. Damit wurde erstmals die                normsetzende
                Expertise der Deutschen Vereinigung                des Gas- und
                Wasserfaches (DVGW) zugunsten                des freien Warenverkehrs
                im EU-Binnenmarkt außer                Kraft gesetzt. Das „FRABO-Urteil“ gibt
                eine Vorahnung,                was passieren könnte, wenn
                das geplante                Freihandelsabkommen zwischen der
                EU und USA                tatsächlich zu Stande kommen wird. -ng- 
                
             
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      Kaum
          ist die Aufregung um die geplante EU-Dienstleistungskonzessionsrichtlinie abgeklungen,        dräut
          das nächste Aufregerthema für die        Wasserbranche empor.
          Es geht um das geplante        Freihandels- und Investitionsschutzabkommen
          zwischen        der EU und den USA ("Transatlantic Trade        und Investment Partnership" - TTIP).  
      Nach
          Ansicht            der Industrielobby würde eine TTIP-Verabschiedung            enorme
          Wachstumspotenziale generieren            (siehe Kasten unten). Nach
          Ansicht von Gewerkschaftlern            und Umweltschützern droht
          demgegenüber            die Aushöhlung von Sozial-, Umwelt-
          und            Gesundheitsstandards: 
      
        „Im
              Chlorbad desinfizierte Hähnchen, Hormonfleisch            von
              geklonten Rindern, Nahrungsmittel von            gentechnisch veränderten
              Pflanzen und vieles            mehr ist in den USA normal. Dem
              Handel mit            diesen und anderen Produkten würde durch
              das            geplante
              Freihandels- und Investitionsabkommen            zwischen der EU
              und den USA Tür und Tor geöffnet“, so
          eine gängige Befürchtung.  
       
       Tatsächlich
          tangiert            der Vorrang für den freien Warenverkehr jetzt            schon die Trinkwassersicherheit in Deutschland!  
       Was
          ist passiert? Am 14. August 2013 hat das            Oberlandesgericht
          Düsseldorf einem italienischen            Hersteller von Pressfittings
          Recht gegeben und die            Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfachs 
            (DVGW) zum Schadenersatz verurteilt. Die italienische            Firma
            FRABO wollte Pressfittings auf den            deutschen Markt bringen
            - ohne über das hierzu            notwendige DVGW-Zertifizierungszeichen
            zu verfügen.            Der italienische Pressfitting-Hersteller
            hatte            sich mit dem Hinweis auf den Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit            in
            der EU geweigert, den bei uns üblichen DVGW-Test zu Erlangung
            des DVGWZertifikats                zu absolvieren.  
      Entsprechend
          den technischen            Regeln des DVGW müssen die Elastomerdichtungen            von
          Pressfittings einen Belastungstest über 3.000 Stunden bestehen,
          bevor sie mit dem                  DVGW-Zertifikat glänzen können.
          Mit Pressfittings                  werden Trinkwasserleitungen verbunden.
          Die Elastomerdichtung                  verhindert Undichtigkeiten.
          Während                  dem italienischen Hersteller bereits
          eine Testdauer                  von 3.000 Stunden zu lang war, wird
          im Europäischen                  Komitee für Normung (CEN)
          derzeit darüber                  beraten, für derartige Dichtungsringe
          einen Belastungstest                  von 10.000 Stunden vorzusehen.
          Zudem                  hat der DVGW darauf verwiesen, dass der Belastungstest „aus
            Gründen des Gesundheitsschutzes                  im
                    Trinkwasserbereich notwendig und angemessen“ sei: Wenn
          die Elastomerdichtung ihren Geist aufgebe,          könnten in
          die durch Pressfittings verbundenen            Trinkwasserleitungen
          Keime eindringen.  
      Das
          Oberlandesgericht            Düsseldorf
            hat sich durch die Hygienebedenken            des DVGW nicht beeindrucken
            lassen.            Offenbar war den Richtern der freie Warenverkehr            wichtiger
            als der Gesundheitsschutz. Ferner waren            die Richter der
            Ansicht, dass der DVGW durch seine Sturheit der FRABO erschwert habe,
            mit ihren            Pressfittings („Frabopress“) den
            deutschen Markt zu            erobern. Denn die Erfahrung würde
            lehren, dass die            meisten Installateure in Deutschland
            nur Produkte            mit dem DVGW-Prüfsiegel einkaufen würden.
            Da            FRABO einen Umsatzverlust von mehreren Millionen            Euro
            erlitten habe, sei ein Schadenersatz durch            den DVGW angebracht.
            Die Folge des Urteils ist            nun, dass die DVGW CERT GmbH
            verpflichtet ist,            dem italienischen Hersteller zu gestatten,
            seine            Pressfittings mit dem DVGW-Zertifizierungszeichen            zu
            versehen – und zwar ohne den 3.000-Stunden-Test. 
      
         „Dabei
              darf die DVGW Cert GmbH die Zeichenerteilung              nicht davon
              abhängig
    machen, ob nachgewiesen              ist, dass die in Deutschland aktuell geltenden              Anforderungen
    im Hinblick auf die hygienische              Unbedenklichkeit des Trinkwassers
    erfüllt              sind,“ 
       
       schreibt
          der DVGW in der ENERGIE WASSER            PRAXIS 10/2013, S. 71. 
      Wegen
            der grundsätzlichen            Bedeutung des Urteils erwägt
            der DVGW gegen das            Urteil Revision beim Bundesgerichtshof
            einzulegen. 
                  Die
          Entscheidung des OLG Düsseldorf mit Gründen            ist nachzulesen unter: 
            www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/duesseldorf/j201 
            3/VI_2_U_Kart_15_08_Grund_und_Teilurteil_20130814.html 
           
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                500
                    Euro für jede Familie in der EU – oder: 
„Der transatlantische Freihandelsbluff“ 
                 Die
                    geplante Superfreihandelszone vom Pazifik bis                      zum
                    Schwarzen Meer soll jeder europäischen Familie                      durch
                    zusätzliches Wirtschaftswachstum ein Zusatzeinkommen                      von
                    500 Euro bescheren. Das
                    versprechen                      zumindest die Apologeten
                    des TTIP-Abkommens.                       
                Einen
                    vor Ironie triefenden Kommentar                      zu diesen
                    hohlen Verheißungen der Business-Lobby                      hat
                    der Wirtschaftsjournalist Harald Schumann am 06.11.13 im
                    TAGESSPIEGEL veröffentlicht. Schumann                      schreibt
                    u.a., dass es den Wirtschaftslobbyisten                      vor
                    allem darum gehe, dass „nicht-tarifäre Handelsbarrieren“                      von
                    der EU-Kommission und der US-Regierung                      endlich vom Tisch gefegt werden. Gemeint 
                      sind damit die bestehenden Sozial-, Umwelt- und                      Gesundheitsstandards,
                      die als Handelshemmnis                      einem weiteren
                      Wirtschaftswachstum im Wege                      stehen
                      würden. „Große Gewinne“ verheiße
                        auch die                        angestrebte„ Privatisierung
                        bisher staatlicher Dienstleistungen. Das
                    wollen zwar die Bürger meistens nicht. Aber        
                     wenn es erst mal völkerrechtlich bindend vereinbart
                     wäre,
                    käme es auf den Bürgerwillen nicht mehr
                          so                          an“.            
                           Und die dem „Investitionsschutz“ dienenden, „geheim
                           tagenden, mit privaten Anwälten besetzten   
                            Schiedsgerichte“ seien „eine
                          perfekte Methode, um                          Umweltauflagen
                          oder Sozialvorschriften durch                     
                             Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe auszuhebeln“. 
                 Nach
                    Meinung von Schumann drohe                      durch TTIP
                    eine „weitere Entmachtung unserer demokratisch                      gewählten
                    Parlamente zu Gunsten                      transnationaler
                    Konzerne und der Heerschar ihrer                      Anwälte“.
                    Der gesamte Kommentar unter: 
                 http://www.tagesspiegel.de/meinung/handelszonezwischen- 
                      usa-und-eu-der-transatlantischefreihandelsbluff/
                      9037908.html 
                 
                 
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    Was
              in Italien marktfähig ist, muss 
      auch in Deutschland marktfähig sein! 
     
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        Vor seinem Urteil
            hatte der 2. Senat des Düsseldorfer          Oberlandesgerichtes
            den Streitfall zur Begutachtung          an den Europäischen
            Gerichtshof (EuGH) weitergeleitet.          Der EuGH solle in einem „Vorabentscheidungsersuchen“          grundsätzlich
            Stellung nehmen,          ob der DVGW als private Sachverständigenorganisation          dem
            Primat des freien Warenverkehrs          unterliege. Nachdem der
            EuGH dies bejaht hatte,          hatte des OLG in seiner Urteilsbegründung
            argumentiert,          dass das Verlangen des DVGW, die          Pressfittings
            von FRABO dem 3.000-Stunden-Test          auszusetzen, „gegen
            das unionsrechtliche Verbot          von Einfuhrbeschränkungen
            nach Art. 28 EG (nunmehr          Art. 34 AEUV)“ verstoßen würde: 
         
      
         „Nach der
                Rechtsprechung des Gerichtshofs der            Europäischen
                Union ist jede Regelung der Mitgliedstaaten,            die geeignet
                ist, den innergemeinschaftlichen            Handel unmittelbar oder
                mittelbar,            tatsächlich oder potenziell zu behindern,
                als eine            Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine
                mengenmäßige            Einfuhrbeschränkung anzusehen
                und            daher verboten (Urteil des EuGH vom 12. Juli            2012
                - C-171/11 - auf das Vorabentscheidungsersuchen            des Senats, Rn. 22).“ 
       
      
         Ebenso hat der
                Gerichtshof entschieden, dass ein                  Mitgliedstaat
                gegen die ihm nach den Art. 28 EG obliegenden                  Verpflichtungen verstößt, wenn er ohne 
                  triftige Rechtfertigung die Wirtschaftsteilnehmer, die                  in
                  einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellte                  und/oder
                  vertriebene Produkte in seinem Hoheitsgebiet                  vertreiben
                  wollen, dazu veranlasst, nationale                  Konformitätszeichen
                  zu erwerben (Rn. 23                  m.w.N.).                  Gemäß dem
                  Urteil des Gerichtshofs vom                  10. November 2005
                  (C-432/03, Kommission/Portugal,                  Rn. 35 f.)
                  stehe nach Meinung des OLG Düsseldorf                  außerdem
                  fest, dass ein Mitgliedstaat das                  Inverkehrbringen
                  eines Produkts, das - wie hier - nicht von harmonisierten Spezifikationen
                  erfasst                  wird, in seinem Gebiet nur solchen
                  nationalen Vorschriften                  unterwerfen darf,
                  die den Verpflichtungen                  aus dem Vertrag, insbesondere
                  dem in den Artikeln                  28 EG (nunmehr Art. 34
                  AEUV) aufgestellten                  Grundsatz des freien Warenverkehrs,
                  entsprechen.                  Dies beinhaltet das Verbot, solche
                  Produkte von einem                  Vertrieb in dem betreffenden
                  Mitgliedstaat auszuschließen,                  wenn es
                  in einem anderen Mitgliedstaat                  nach den dort
                  geltenden Bestimmungen zum                  Vertrieb (Inverkehrbringen)
                  zugelassen sei. Das treffe                  auf die Pressfittings
                  einschließlich der Dichtungsringe                  der Klägerin für den Mitgliedstaat Italien zu. 
       
     
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    „FRABO-Urteil“: 
      Wie blöd ist der DVGW? 
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          In seiner Urteilsbegründung
              schreibt das OLG Düsseldorf,            dass anzuerkennen
              sei, dass die EGTrinkwasserrichtlinie            „nur Mindeststandards“ festlege.            Die
              EU-Mitgliedsstaaten könnten somit schärfere            Anforderungen an die Trinkwassergüte stellen: 
           
        
           „Der
                  Gesundheitsschutz der Bevölkerung gegen              Verunreinigung
                  des Trinkwassers ist ein ohne              Weiteres bedeutendes
                  Schutzgut. Gegen dahingehende              Gefährdungen darf
                  der nationale Gesetzgeber              im Prinzip auch Vorsorgemaßnahmen              treffen,
                  die über die von der Union gesetzten Mindestanforderungen              hinausgehen.“ 
         
        
           Allerdings
                  müssten nationale Verschärfungen gut                    begründet
                  sein. Dazu gehöre „eine belastbare Gefahrenanalyse                    und
                  eine vertretbare Risikobewertung                    durch den
                  Mitgliedstaat“. Die vorzulegende Gefährdungsanalyse                    müsse
                  u.a. „auch die Wahrscheinlichkeit                    und
                  die Tragweite einer, so hier, Gesundheitsgefährdung                    der
                  Bevölkerung durch Verunreinigungen                    des
                  Trinkwassers“ beinhalten.  
          Nach Meinung                    des
                    Gerichts wäre der DVGW zu blöd gewesen, eine                    belastbare
                    Gefährdungsanalyse für die„
                      Frabofittings“ vorzulegen. So habe der DVGW „widerstreitende                      Gesichtspunkte“ – nämlich
                      einerseits                      den Primat des freien Warenverkehrs
                      und andererseits                      den Gesundheitsschutz – „nicht
                      zutreffend abgewogen“.                      Die behauptete
                      Erforderlichkeit und Angemessenheit                      des
                      3.000-Stunden-Tests habe der                      DVGW
                      nicht belegen können (s. Kasten unten). Das sei besonders
                      verwerflich, weil der                      DVGW zudem mit
                      dem Hinweis darauf, dass „eine                      große
                      Zahl“ von Pressfittings anderer Firmen diesen                      Test inzwischen bestanden habe, die „Frabofittings“ 
„herabgewürdigt“ habe. 
          
            
                
                  
                    
                     Nimmt
                        der DVGW  „lebensgefährliche              
                         Gasexplosionen“ in
                        Kauf? 
                     Die
                        OLG-RichterInnen monieren in ihrem Urteil,                          dass
                        der DVGW mit dem sog. 3.000-Stunden-Test                          bei
                        Dichtungen für Trinkwasserleitungen höhere
                        Anforderungen                        aufstellen würde
                        als für Gas- und Abwasserleitungen                        gelten.
                        Dazu schreiben die RichterInnen: 
                    „Auch
                        Gas- und Abwasserleitungen können infolge                          unzuverlässiger
                        Dichtungen undicht werden. Bei                          Abwasserleitungen
                        drohen dann ebenfalls Gefahren                          im
                        Sinn des Art. 30 EG (Art. 36 AEUV), nämlich solche                          für
                        die Gesundheit von Menschen, Tieren und                          Pflanzen
                        sowie für die öffentliche Ordnung und
                          Sicherheit.                          Für Gasleitungen
                          gilt dies noch mehr: Undichte                          Gasleitungen
                          bringen Menschen in Lebensgefahr.                          Explosionen
                          können zu verheerenden Sachschäden                          führen.
                          Trotzdem ist nach dem Vortrag der                          Beklagten
                          [also des DVGW] eine Angleichung der                          Anforderungen
                          nicht beabsichtigt, was auf den Betrachter                          widersprüchlich
                          und gerade so wirkt, als                          würden
                          lebensgefährliche Gasexplosionen bei Normungen                          und
                          Zertifizierungen in Kauf genommen,                          mögliche
                          Verunreinigungen des Trinkwassers, die in                          der
                          Regel lediglich zu vorübergehenden gesundheitlichen                          Beeinträchtigungen
                          führen, hingegen dazu                          benutzt,
                          eine hohe Hürde für Zertifizierungen
                          zu errichten.                          Auch dies spricht
                          gegen eine im Vorfeld der                          Einführung
                          des 3.000-Stunden-Tests vorgenommene                          vertretbare
                          Risikobewertung und gegen die Verhältnismäßigkeit                          dieser Maßnahme.“ 
                     
                     
               | 
             
           
            
         
         
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       Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
            regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge.
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