aktualisiert: 
	       12. April 2016 
	      
	    
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         WasserInBürgerhand! 
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      BBU-Wasserrundbrief,
            28.3.2016 
      
        
        
      
        
        
       
      Der  „Schlanke Staat“ und  
        das  bleivergiftete  Trinkwasser in Flint 
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Der  desolate Zustand der Infrastruktur in den USA, der Rassismus und das  Herunterwirtschaften der US-Umweltagentur haben dazu geführt, dass  rund 100.000 Menschen in Flint über viele Monate hinweg mit  bleihaltigem Trinkwasser versorgt worden sind. Als es in der  US-Automobilindustrie noch rund lief, war Flint dank der dortigen  Autoproduktion vergleichsweise wohlhabend. Mit dem Niedergang der  US-Automobilindustrie in den 90er Jahren verarmte die Stadt  zusehends. (Mehr zur ruinösen Entwicklung von Flint kann man unter  Wikipedia Flint nachlesen.) 
       In der Vergangenheit war Flint vom 95 km  nordwestlich gelegenen Detroit mit Trinkwasser versorgt worden. Den  teuren Wasserbezug aus Detroit glaubte man sich im hochverschuldeten  Flint nicht mehr länger leisten zu können. Im Rahmen einer  Sparmaßnahme errichtete man ein eigenes Wasserwerk, das das  Rohwasser aus dem Flint-Fluss förderte. Damit nahm das Unheil seinen  Lauf: Das Wasser aus dem Flint-Fluss steht nicht im  Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht. Damit wirkte das Wasser korrosiv auf  das Trinkwasserverteilungssystem, das zu großen Teilen noch aus  Bleileitungen besteht. Die Umweltbehörde des Staates Michigan hatte  trotzdem die Umstellung auf Flusswasser genehmigt. Der vom Gouverneur  des Bundesstaats Michigan,  Rick Snyder, ernannte Notverwalter der bankrotten Großstadt hatte  ebenfalls seine Zustimmung gegeben.  
      Die Folge: Rund 100.000 Menschen,  größtenteils Schwarze, bekommen seit 2014 Trinkwasser, das alle  Grenzwerte für Blei weit überschreitet. Dass mit dem Wasser etwas  nicht stimmen könnte, war den EinwohnerInnen gleich nach der  Umstellung vom Fernwasserbezug auf das neue Flusswasserwerk  aufgefallen. Denn das korrosive Wasser hatte auch Eisenrohre  angegriffen, so dass das Trinkwasser eine rostig braune Verfärbung  aufgewiesen hatte. Klagen über die miserable Trinkwasserqualität  führten allerdings zu keinem Erfolg. Erst als unabhängige  Uni-Institute die Überschreitung des Bleigrenzwertes festgestellt  hatten, 
        
        ließ  sich der Skandal nicht mehr unter der Decke halten. Mehr dazu in den  nächsten Notizen. 
      
        
          
            Weitere Infos zum  Blei-Desaster in  der  Trinkwasserversorgung von Flint 
             Eine gute Übersicht über den  Fall Flint mit weiterführenden Links findet sich in dem Blog  „Lebensraum Wasser“ unter 
             http://www.lebensraumwasser.com/2016/01/22/verseuchtes-trinkwasser-in-den-usa-falsch-verstandener-sparzwang/ 
             Eine Kernaussage in dem  Blog-Beitrag: „Falsch verstandener Sparwahn hat zu der  Katastrophe geführt.“ Die Ereignisse in Flint sollten Politik  und Konsumenten lehren, dass „politisch motivierte Kostenphobie bei Trinkwasser katastrophale Folgen haben können“. 
             Der Blog „Lebensraum Wasser“  wird von Siegfried Gendries,  dem Kommunikationschef der Rheinisch Westfälischen Wasserwerke (RWW)  in Mühlheim an der Ruhr verfasst. Die RWW, die etwa eine Million  Menschen in NRW mit Trinkwasser versorgen, sind ein  Tochterunternehmen des RWE-Konzerns. 
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Austausch  der Bleileitungen  
wird auf  1,5 Milliarden Dollar geschätzt 
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Bis  die Stadtverwaltung die EinwohnerInnen von Flint endlich über die  gesundheitsschädigende Bleibelastung des Trinkwassers aufklärte,  hatten die BewohnerInnen schon über eineinhalb Jahre hinweg  Trinkwasser mit kontinuierlich ansteigenden Bleikonzentrationen  „genossen“. Seit Herbst 2015 werden die Trinkwasserkonsumenten  mit Flaschenwasser versorgt. Und vor allem die besonders  bleisensiblen Kinder werden jetzt regelmäßigen Bluttests  unterzogen. Im Januar 2016 hatte der US-Präsident für Flint den  Notstand erklärt. Die Erklärung des Notstandes ist die  Voraussetzung, dass Washington mit Bundesmitteln die Stadt und den  Staat Michigan unterstützen kann. Denn aus eigener Kraft kann die  Stadt das Trinkwasserdesaster nicht mehr bewältigen. Zwar wurde  die  Trinkwasserversorgung wieder auf das Fernwasser aus  Detroit  umgestellt. Das nutzt  nicht mehr sonderlich viel, weil das aus  Bleileitungen errichtete Trinkwassernetz jetzt massiv korrodiert ist: 
      
        „Experten  befürchten aber, dass die Leitungen so beschädigt sind, dass sie  komplett ausgetauscht werden müssen. Die Kosten würden bis zu 1,5  Milliarden Dollar betragen“, 
       
      hatte  SPIEGEL ONLINE am 17.01.16 berichtet. 
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„Öffentliche  Wasserversorgung  ist  Mist!“ 
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Der  Bericht auf SPIEGEL ONLINE am 17.01.16 über die Trinkwasserkrise in  Flint hatte zahlreiche Leserkommentare nach sich gezogen. Ein User  argumentierte: 
        
          „Das  Wasser, welches in den USA aus den Leitungen kommt, ist eh eine  Zumutung. Aus unserer Wohnung in Washington bzw. Maryland konnte man  bei jedem öffnen des Wasserhahns einen Chlorgasangriff vermuten. Wir  haben zum trinken und kochen generell nur Wasser aus Flaschen  genommen. Da wird einem auch die Berechtigung der riesigen  Wasserflaschen klar, die man vorher nur aus US-Filmen kannte.“ 
         
        Interessanter  war aber die Kontroverse in den Leserkommentaren zur Frage, inwieweit  der Fall Munition in der Debatte über die öffentliche oder private  Wasserversorgung liefert. So betonte ein User, dass es sich in Flint  doch offenkundig „um  die STÄDTISCHE Wasserversorgung“ gehandelt habe:  
        „Und  die Stadt war Pleite und wollte zu Lasten ihrer Bürger sparen.“ Soll heißen, eine öffentliche Wasserversorgung ist mindestens so  schlimm wie ein privater Wasserversorger. Ein anderer User konterte  mit der Frage: 
        
          „Wie  viele der [unter der  Bleibelastung] leidenden Einwohner sind den liberalen  Populisten gefolgt, die im Wahlkampf Steuersenkungen und weniger  Staat gefordert haben???“ 
         
        Womit  wir bei des Pudels Kern wären: Unter dem Motto „Schlanker Staat“  sind in den USA auch die Umweltbehörden heruntergewirtschaftet und  politisch paralysiert worden (siehe Kasten). Eine hinreichende  Kontrolle der öffentlichen Wasserversorgung findet immer weniger  statt. Und aufmüpfige MitarbeiterInnen der Umweltbehörden werden  politisch gedeckelt, wenn die Posten und die Positionierung der  neoliberalen und neokonservativen Politiker in Gefahr kommen könnten.   In hiesigen Presseberichten wird auch darauf hingewiesen, dass der  Fall Flint viel mit latentem Rassismus zu tun habe: Bei einer Stadt  mit einer Armutsquote von 40 Prozent und  bei den dort lebenden,  überwiegend schwarzen EinwohnerInnen kann man ja mal die  Überschreitung von Bleigrenzwerten tolerieren. Selbst die  Mainstream-Presse in den USA hatte kommentiert, dass in einer  überwiegend von Weißen bewohnten Stadt ein derartiges Desaster  gewiss nicht vorkommen würde. 
        
          
            
                Die Paralysierung  der US-Umweltbehörde  (EPA) … 
                … war Thema eines großen  Berichts der ZEIT am 28.01.2016. In dem Bericht werden ehemalige  Mitarbeiter der EPA zitiert. Danach würde es maßgeblichen Topleuten  in der EPA vor „allem um ihre Jobs und ihre Karrieren“ gehen. Interne Kritiker würden „kaltgestellt“. Die  Probleme der EPA seien strukturell: 
                
                  "Der Präsident  entscheidet über die EPA-Spitze. Die hat die Aufgabe, die politische  Agenda des Weißen Hauses umzusetzen – egal, wie sich das mit den  sonstigen Zielen der EPA verträgt." 
                 
                Lt. ZEIT seien die Beamten  „politischem Druck“ unterworfen und „der konstanten  Einflussnahme durch die Industrie“ ausgesetzt.  
                
                  "Große Konzerne haben  die Möglichkeit, Karrieren bei der EPA zu fördern oder auszubremsen  – ihre Lobbyisten haben Zugang zu allen Ebenen des Apparates …“   
                 
                Wer sich offen gegenüber den  Vorstellungen der Industrie zeige, dem würden späterhin lukrative  Jobs in der Industrie winken. So wären die  fünf Vorgänger der  heutigen EPA-Chefin Gina McCarthy alle in Beraterjobs oder direkt in  die Industrie gewechselt. So sei Lisa Jackson, Obamas erste  EPA-Chefin, als oberste Umweltmanagerin von  Apple übernommen  worden.  
                DIE ZEIT berichtet ferner, dass über Jahrzehnte hinweg „Pestizide von der EPA auf der Grundlage gefälschter Gutachten  genehmigt worden“ seien. Auch als sich herausgestellt habe,  dass die Studien manipuliert worden seien, habe man „die darauf  basierenden Genehmigungen nicht zurückgezogen“. Die  Pestizidhersteller „hätten einfach neue Studien etwa zum  umstrittenen Pestizid Glyphosat nachreichen können“.  
                Das  Missmanagement bei der EPA sei erneut am 5. August 2015 offenkundig  geworden. Damals hätten sich „elf Millionen Liter toxische  Brühe in den Animas River in Colorado“ ergossen. Die  schwermetallhaltige Brühe war aus dem Absetzbecken einer  stillgelegten Goldmine in den Rocky Mountains ausgeflossen und führte  im  Colorado-River zu einer spektakulären Gelbfärbung (vgl. RUNDBR.  1077/1-3). 
                
                  „Ausgelöst hatte die  Katastrophe, die die Region wohl auf Jahre belasten wird,  ausgerechnet die EPA selbst. Die Washingtoner Behörde wollte die  Mine, aus der seit Jahren Schadstoffe sickerten, sanieren. Doch die  beauftragten Subunternehmer begingen einen gravierenden Fehler, der  zu dem Unglück führte. Der EPA fehle es an Expertise, und sie habe  es an Sorgfalt mangeln lassen, so das harsche Fazit des  Innenministeriums, das den Vorfall untersuchte.“ 
                 
                  
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              Nieder  mit der staatlichen  Daseinsvorsorge! 
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Die  „Schlanker-Staat-Politik“ in den USA führt übrigens auch dazu,  dass die BürgerInnen das Vertrauen in die staatlichen Institutionen  verlieren. So bangen jetzt auf Grund des Staatsversagens in Flint  Tausende Eltern um die Gesundheit ihrer Kinder. Teaparty und   Republikaner nutzen das wiederum aus, um die verhassten  Kontrollbehörden noch weiter zu diskreditieren und noch weiter  abzubauen. Wie feindselig die Neokonservativen in den USA allen  staatlichen Leistungen der Daseinsvorsorge gegenüber stehen kann man  auf erschreckende Weise in einem Deutschlandfunk-Feature vom 16.02.16  über das „libertäre“ Netzwerk der milliardenschweren  Koch-Brüder nachhören und nachlesen - unter 
        http://www.deutschlandfunk.de/wahlkampf-in-den-usa-was-kostet-die-demokratie.1247.de.html?dram:article_id=341155 
        Oder  einfach mal „Koch-Brüder USA“ googlen … 
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Wäre  ein „Flint-Ereignis“  
in  Deutschland möglich? 
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Eine  geplante Umstellung der Trinkwasserversorgung vom Fernbezug auf ein  eigenes Flusswasserwerk würde in Deutschland nur im Rahmen eines  Planfeststellungsverfahrens möglich sein. Und spätestens im  Planfeststellungsverfahren wäre auch die Aggressivität des  Flusswassers zur Sprache gekommen. Das zuständige Gesundheitsamt als  „Träger öffentlicher Belange“ (TÖB) würde darauf drängen,  dass das Flusswasser so aufbereitet werden müsste, dass es nicht  mehr korrosiv auf das Leitungsnetz einwirkt (Aufhärtung,  Entsäuerung). Im Übrigen hätten die nach der Trinkwasserverordnung  vorgeschriebenen Analysen ziemlich schnell gezeigt, dass der  Bleigrenzwert überschritten wäre.  
        Das ist aber alles nur Theorie.  Vermutlich hätte das Gesundheitsamt im Wissen um den problematischen  Chemismus des Flusswassers erst gar nicht die Entkopplung vom  Fernwasserbezug erlaubt. Außerdem sind in Deutschland bleihaltige  Leitungen im öffentlichen Netz bis Ende des letzten Jahrhunderts zum  allergrößten Teil ausgetauscht worden. 
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              Sechs  Millionen US-Bürger  
              bekommen bleihaltiges Trinkwasser 
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Sensibilisiert  durch das Blei-Desaster in Flint hat man sich inzwischen die  Trinkwasseranalysen in den USA genauer angeschaut. Das Ergebnis:  Sechs Millionen Einwohner müssen mit einem Trinkwasser vorlieb  nehmen, das den Grenzwert für Blei der US-Umweltbehörde (EPA)  überschreitet. Lt. FR vom 18.03.16 sind die 2000  Überschreitungsfälle über alle 50 US-Bundesstaaten verteilt. Die  FR verweist auf einen Bericht in „USA today“, wonach 350 der  landesweit von der Bleikontamination betroffenen Wasserversorger auch  Schulen und Kitas beliefern. 
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       Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
            regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge.
            Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern. 
        
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