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9. Oktober 2019

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 6. September 2019

Weist das Abwasserabgabengesetz
noch eine Lenkungsfunktion auf?

 

Dass sowohl industrielle als auch kommunale Kläranlagenbetreiber (und deren Verbände) die Meinung vertreten, dass sich das Abwasserabgabengesetz (AbwAG) überlebt hat, war Thema im RUNDBR. 1148/1. Eine Lenkungswirkung könne man dem AbwAG nicht mehr zuerkennen. Den Standpunkt kann man allerdings nur teilen, wenn man wie die Betreiber davon ausgeht, dass die Abwasserreinigung bereits im Optimum läuft. Vor allem im Hinblick auf die Phosphoreliminierung ist das aber bei weitem noch nicht der Fall. Viele Fließgewässer befinden sich wegen immer noch deutlicher Eutrophierungserscheinungen in einem ökologisch unbefriedigenden Zustand. Um ein unnatürliches Ausmaß des Algenbestands zu reduzieren, muss an der Phosphoreliminierung in den kommunalen Kläranlagen noch weiter geschraubt werden (s. RUNDBR. 1135 und 935).

Die Abwasserabgabe ist weiterhin der ökonomische Hebel, der die Kläranlagenbetreiber dazu motiviert, die Phosphoreliminierung auf Vordermann zu bringen. Denn die Investitionen in eine verbesserte Phosphoreliminierung (beispielsweise „Zweipunktfällung“ bei mittelgroßen Kläranlagen und Filter bei großen Kläranlagen) können die Betreiber mit der Abwasserabgabe verrechnen. Würde man die Abwasserabgabe abschaffen, müsste man seitens der Behörden alleine mit dem Ordnungsrecht arbeiten. Die Umstellung der wasserrechtlichen Erlaubnisbescheide ist aber personal- und zeitaufwendig – und ohne Verrechnungsmöglichkeiten wäre die Motivation der Kläranlagenbetreiber und der Verbandsversammlungen zur Bereitstellung der notwendigen Investitionsmittel deutlich geringer. Die Verrechnungsmöglichkeiten haben viele Betreiber schon in der Vergangenheit veranlasst, eigentlich notwendige Investitionen vorzuziehen – anstatt sie auf die lange Bank zu schieben. Das ist mit ein Grund, warum zumindest wir weiterhin für den Erhalt des AbwAG plädieren.

Mikroverunreinigungen:
Wo bleibt die Herstellerverantwortung?

 

Bei der anstehenden Novelle des Abwasserabgabengesetzes (AbwAG) geht es u.a. um eine Erhöhung der Abgabe. Mit den Mehreinnahmen soll der Bau von Anlagen zur Eliminierung von Mikroverunreinigungen („Vierte Reinigungsstufe“) bezuschusst werden. Die Wasserwirtschaft und die Umweltverbände kritisieren unisono, dass dabei die Herstellerverantwortung unter den Tisch fällt – weil die Erhöhung der Abwasserabgabe von allen AbwassergebührenzahlerInnen aufgebracht werden muss, so dass die Produzenten und Inverkehrbringer von gewässerschädigenden Mikroverunreinigungen aus dem Schneider wären (s. RUNDBR. 1141/3). Der Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat deshalb ein „Fondsmodell“ auf den Weg gebracht, das auch die Hersteller der Mikroverunreinigungen in die Finanzierung von „Vierten Reinigungsstufen“ mit einbeziehen soll. Wie das „Fondsmodell“ funktionieren soll, wird in den nächsten Notizen erläutert.

Fondsmodell“: Von Schadstoff-
frachten und Schadeinheiten

 

Ansatzpunkt für das „Fondsmodell“ des BDEW ist Art. 9 der EG-Wasserrahmenrichtlinie. In Art. 9 ist das Verursacherprinzip verankert (siehe Kasten). Insofern seien die Hersteller und Inverkehrbringer von Mikroverunreinigungen ultimativ an den Reinigungskosten auf den Kläranlagen zu beteiligen. Damit könne dann auch eine Lenkungsfunktion entfaltet werden: Wer für seine Mikroverunreinigungen zahlen müsse, hätte ein Interesse, die Freisetzung von Mikroverunreinigungen über den Abwasserpfad zu reduzieren.

Der BDEW legt Wert darauf, dass die Einnahmen aus dem „Fondsmodell“ nicht für einen Zuschuss für den Bau von „Vierten Stufen“, sondern für einen Zuschuss für den laufenden Betrieb von „Vierten Stufen“ verausgabt werden sollen. Das ist dem BDEW deshalb wichtig, weil die Betriebskosten über die Abschreibungsdauer einer „Vierten Stufe“ weit über den Investitionskosten liegen würden. Im „Fondsmodell“ sollen bundesweit an mehreren Dutzend repräsentativen Messstellen in den großen Flusseinzugsgebieten Deutschlands die Frachten an gewässerschädigenden Mikroverunreinigungen gemessen und berechnet werden. Die schadstoffspezifischen Jahresfrachten werden sodann mit einem ebenfalls stoffspezifischen Schädlichkeitsbeiwert multipliziert. Die Schädlichkeit ergibt sich aus den jeweiligen Umweltqualitätsnormen. Daraus können dann wieder Schadeinheiten pro Kilogramm der jeweiligen Mikroverunreinigung errechnet werden.

Das hört sich zunächst einmal kompliziert an – was wiederum dazu führt, dass man uns gegenüber im Bundesumweltministerium das „Fondsmodell“ für den Vollzug als wenig praktikabel eingestuft hat. Demgegenüber verweist Prof. Dr.-Ing. Dietmar Schitthelm, Chef des Niersverbandes und »Erfinder« des „Fondsmodell“, uns gegenüber darauf, dass der sonstige Vollzug des AbwAG auch nicht gerade einfacher ist.

 

Art. 9 Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen

(1) Die Mitgliedstaaten berücksichtigen (…) insbesondere unter Zugrundelegung des Verursacherprinzips den Grundsatz der Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen einschließlich umwelt- und ressourcenbezogener Kosten.

Die Mitgliedstaaten sorgen bis zum Jahr 2010 dafür,

- dass die Wassergebührenpolitik angemessene Anreize für die Benutzer darstellt, Wasserressourcen effizient zu nutzen, und somit zu den Umweltzielen dieser Richtlinie beiträgt;

- dass die verschiedenen Wassernutzungen, die mindestens in die Sektoren Industrie, Haushalte und Landwirtschaft aufzugliedern sind, auf der Grundlage (…) unter Berücksichtigung des Verursacherprinzips einen angemessenen Beitrag leisten zur Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen.

 

Fondsmodell:
Wer sind die Hersteller der Mikroverunreinigungen?

 

Das „Fondsmodell“ soll in einem ersten Schritt die Zahlpflicht für zehn repräsentative Mikroverunreinigungen exekutieren. Diese zehn Spurenstoffe können auf die Pharmaindustrie, die Pestizid- und Chemiebranche sowie auf die Mineralölindustrie zurückgeführt werden. Je mehr Schadeinheiten in den Flusseinzugsgebieten errechnet werden können, desto höher sollen die Zahlungen der jeweiligen Hersteller ausfallen. Neben dem laufenden Betrieb der „Vierten Stufen“ sollen aus den Einnahmen aus dem „Fondsmodell“ auch weitergehende Aufbereitungsstufen in den Wasserwerken sowie Kampagnen im Anwendungsbereich von Produkten, die Mikroverunreinigungen enthalten, bezuschusst werden. Außerdem soll es Zuschüsse für die Sanierung von Mischwasserentlastungen geben.

Für diejenigen, die es genauer wissen wollen, hat Prof. Schitthelm seinen „Vorschlag zur Finanzierung von Maßnahmen des Spurenstoffeintrags in Gewässer“ in der gwf-WASSER/ABWASSER 4/2019, S. 89 – 92, ausführlich vorgestellt. Bonmot in den Aufsatz im Hinblick auf die Suche nach den Verursachern der Spurenstoffbelastung: „Einzelne dieser Unternehmen outen sich bereits allabendlich über Fernsehwerbung.“ Gemeint ist damit die TV-Werbung für das Schmerzmittel Voltaren, das den gewässerschädlichen Wirkstoff Dicolfenac enthält. Für die Suche nach weiteren Herstellern von Mikroverunreinigungen hält es Schitthelm allerdings für „hilfreich“, wenn es künftig „klare gesetzliche Vorgaben für eine Emissionserklärung von Indirekteinleitern aus produzierenden oder weiterverarbeitendem Gewerbe“ geben würde.

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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