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	       19. April 2019 
	      
	    
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      BBU-Wasserrundbrief,
            28. März 2019 
      
        
        
      
        
        
       
      
        
      
        
      
        
      
        
      
        
      Vierte Reinigungsstufe in Kläranlagen 
      
 
      Resistenzgene werden in Kläranlagen  angereichert 
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        Die  üblichen Kläranlagen reduzieren die Zahl der Bakterien um mehrere  Größenordnungen. Aber die Bakterien, die sich noch im Ablauf der  Kläranlagen befinden, haben es in sich. Der  relative Anteil von antibiotikaresistenen Bakterien ist im Ablauf  deutlich höher als im Zulauf der Kläranlage.  Es scheint so, dass die Reinigungsvorgänge in der Kläranlage den  antibiotikaresistenten Bakterien einen Selektionsvorteil bieten.   
      WissenschaftlerInnen der Eidgenössischen Anstalt für Wasser,  Abwasser und Gewässerschutz (EAWAG) haben sich in zwölf Kläranlagen  in der Schweiz mal näher angeschaut, wie der Gentransfer in  Abwasserreinigungsanlagen (ARA) funktioniert. Dabei konnte  festgestellt werden, dass von den Resistenzen, die im Abfluss  festzustellen sind, nur ein Teil schon im Zulauf vorhanden war.  Offenbar ist im bakteriellen Belebtschlamm in der biologischen  Reinigungsstufe ein großer Pool von Resistenzen vorhanden.  Antibiotika im Abwasser, aber möglicherweise auch Biozide und  Schwermetalle scheinen die Resistenzausbildung im Belebtschlamm zu  fördern. Auch wenn Antibiotika im Abwasser nur im Spurenbereich  vorhanden sind, scheint es so, dass auch diese niedrigen  Konzentrationen bereits ausreichen, um ständige Veränderungen in  den Resistenzeigenschaften der Belebt-schlamm-Bakterien zu triggern.  Bakterien mit Resistenzen scheinen im Belebtschlamm „Überlebensvorteile“ zu haben.  
      In der Ausgabe der eawag-news vom 12.12.18 wird berichtet,  dass „eine kleine  Gruppe von Resistenzgenen (…) auf allen Stufen der Reinigung“ nachgewiesen werden konnte – und weiter:  
      
        „Dieser  «harte Kern» schmuggelt sich durch die ARA und ist vergleichsweise  häufig anzutreffen. Aber rund 70 Prozent der verschiedenen  Resistenzgene, die mit dem Abwasser in die ARA gelangen, werden im  Verlauf des Reinigungsprozesses eliminiert. Dafür kommen aber auch  neue hinzu.“   
       
      Rund  40 Prozent der Resistenzen im Auslauf der ARA hätten ihren Ursprung  vermutlich im Belebtschlamm. Eine weitere Erkenntnis: 
      
        „Die  Bakterien in den biologischen Reinigungsstufen enthalten zum Teil  Resistenzgene, die zu 100 Prozent identisch sind mit denen von  Krankheitserregern. Diese haben sie vermutlich durch Genaustausch  erworben.“ 
       
      Um  zu verhindern, dass die resistenten Bakterien in die Gewässer  gelangen, empfehlen die AutorInnen, die Biomasse nach der  Abwasserreinigung möglichst vollständig aus dem gereinigten  Abwasser zu entfernen. Die derzeit in der Schweiz betriebene  Einführung einer „Vierten Reinigungsstufe“ zur Eliminierung der  Mikroverunreinigungen könnte hierfür eine Chance bieten, heißt es  in dem Beitrag „Resistenzen  schmuggeln sich durch Kläranlagen“  in den eawag-news 04 v. 12.12.18. Download unter 
        www.ewag.ch 
      Auch  die Originalpublikation gibt es im Internet: 
        Ju, F.;  Beck, K.; Yin, X.; Maccagnan, A.; McArdell, C. S.;  Singer, H. P.; Johnson, D. R.; Zhang, T.;  Bürgmann, H. (2018) Wastewater  treatment plant resistomes are shaped by bacterial composition,  genetic exchange, and upregulated expression in the effluent  microbiomes, ISME  Journal, doi:10.1038/s41396-018-0277-8, Institutional  Repo 
        
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Bachflohkrebse schwören auf  Pulveraktivkohle 
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        An  der Sinnhaftigkeit der zuvor erwähnten „Vierten Reinigungsstufe“  zur Eliminierung von Mikroverunreinigungen bestehen selbst in  Fachkreisen immer noch Zweifel. Es sei nicht erkennbar, dass der  Aufwand in einem vernünftigen Verhältnis zum zusätzlichen  Gewässerschutz stehen würde. Wissenschaftler der oben erwähnten  eawag haben den Praxistest gemacht und die Schadstoffaufnahme vor und  nach der Inbetriebnahme einer vierten Reinigungsstufe untersucht.  Darüber hinaus wurden an 13 weiteren Kläranlagen (schweizerische  Bezeichnung: Abwasserreinigungsanlage – ARA) in Wasserproben und in  Bachflohkrebsen (Gammariden) die Konzentration von  Mikroverunreinigungen bestimmt. Über das Ergebnis wird in dem  Aufsatz „Überraschender  Fund von Schadstoffen in Flohkrebsen“  in den eawag-news 04 vom 12.12.18 (download: siehe Notiz zuvor)  berichtet: Insgesamt konnten 63 verschiedene Mikroverunreinigungen  aus den Flohkrebsen extrahiert werden.  
      
        „Im  Durchschnitt fanden sich in den Exemplaren oberhalb des  ARA-Ausflusses vier, in denjenigen unterhalb 14 Substanzen. (…) Die  am häufigsten detektierten Substanzen in den Flohkrebsen waren das  Antidepressivum Citalopram, der UV-Filter Benzophenon, das  Metall-Korrosionsschutzmittel Benzotriazol und das Insektizid  Thiacloprid. Von letzterem ist bekannt, dass es toxisch auf  Flohkrebse und andere wirbellose Tiere wirken kann.“ 
       
      Neben  Thiacloprid habe man „drei  weitere Insektizide, und zwar Imidacloprid, Acetamiprid und  Clodthianidin“ analysieren können.  
      
        „Obwohl  diese in den Wasserproben nur in geringen oder gar nicht messbaren  Konzentrationen vorhanden waren, kamen sie überraschend häufig in  den Gammariden vor – die Organismen schienen die Substanzen im  Körper anzureichern.“ 
       
      Die  erfreuliche Erkenntnis: Nach dem man die ARA Hersiau im Jahr 2015 mit  einer vierten Reinigungstufe (Pulveraktivkohle) ausgestattet hatte,  fanden sich in den Gammariden unterhalb der ARA  keine  Mikroverunreinigungen mehr. 
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Großexperiment in der  Schweiz:   
Effekt  der 4. Reinigungsstufe 
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          Was  man an Hand der Bachflohkrebse im „Vorfluter“ der ARA Herisau  untersucht hat, soll jetzt im Forschungsprojekt „EcoImpact“ in  großem Maßstab an 24 weiteren Kläranlagen in der Schweiz  verifiziert werden. Dazu heißt es in den eawag-news: 
        
          „Mit  dem Entscheid, rund 100 Kläranlagen mit einer zusätzlichen  Reinigungsstufe zur Elimination von Mikroverunreinigungen  aufzurüsten, hat die Schweiz international eine Pionierrolle im  Gewässerschutz übernommen. Das bietet für die Forschung eine  einmalige Gelegenheit, die Auswirkungen dieser Spurenstoffe auf  aquatische Ökosysteme zu untersuchen und zu vergleichen. An 24  ausgewählten Flussstrecken ober- und unterhalb von Kläranlagen im  Schweizer Mittelland und im Jura erfasst EcoImpact molekulare,  physiologische und ökologische Parameter.“   
         
        Das  Schweizer Programm zur Errichtung von vierten Reinigungsstufen zur  Eliminierung von Mikroverunreinigungen adressiert nicht nur große  Kläranlagen. Sofern Trinkwasserentnahmen aus dem Uferfiltrat von  Bächen erfolgen, werden auch die dort liegenden  kleinen Kläranlagen  mit Anlagen zur Entfernung von Mikroverunreinigungen ausgestattet. 
        Die  Originalpublikation:Munz, N. A.;  Fu, Q.; Stamm, C.; Hollender, J. (2018) Internal  concentrations in gammarids reveal increased risk of organic  micropollutants in wastewater-impacted streams, Environmental  Science and Technology,  52(18), 10347-10358, 
          doi:10.1021/acs.est.8b03632, Institutional  Repository 
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              Wer  soll die „Vierte Reinigungsstufe“ bezahlen? 
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Dass  Mikroverunreinigungen die Gewässerökologie schädigen, wird immer  offensichtlicher. Insofern steigt der Druck und die  Erwartungshaltung, dass Kläranlagen mit einer „Vierten  Reinigungsstufe“ zur Eliminierung der Mikroverunreinigungen  aufgerüstet werden sollen. Die Frage ist, wer diese Investitionen,  die sich bundesweit auf Milliarden Euro belaufen werden, stemmen  soll. Um diese Frage zu debattieren, hatten das  Bundesumweltministerium (BMU) und das Umweltbundesamt (UBA) zu einem  „Finanzierungs-Symposium“ für den 22. und 23. Jan. 2019  eingeladen gehabt.  
        Auf dem zweitägigen Symposium wurde deutlich,  dass das Verursacherprinzip bei der Finanzierung der „Vierten  Stufe“ kaum durchzusetzen sein wird. Gegen eine Abgabe auf  Pestizide und/oder Arzneimittel kam geharnischter Protest der  Hersteller. Zudem wurde eingewandt, dass eine Produktabgabe nicht  verfassungskonform sein würde. Vor allem dem Umweltministerium in  Stuttgart steckt noch das Schicksal der baden-württembergischen  Abfallabgabe in den Knochen. Die Abfallabgabe zur Finanzierung der  Altlastensanierung war als nicht verfassungskonform kassiert worden –  und Baden-Württemberg musste Millionenbeträge an die  Abgabenpflichtigen zurückzahlen. Der Charme einer Pestizid- und  Arzneimittelabgabe würde darin bestehen, dass entsprechende Abgaben  eine Lenkungswirkung entfalten würden: Je gewässerschädigender das  Pestizid oder Medikament, desto höher die Abgabe. Insofern könnte  eine Produktabgabe die Produzenten dazu anreizen, weniger  gewässerschädigende Produkte zu entwickeln. Aber die Befürworter  einer Produktabgabe mit Lenkungsfunktion standen auf dem Berliner  Symposium auf verlorenem Posten. Insofern  scheint alles auf eine pauschale Erhöhung der Abwasserabgabe hinaus  zulaufen.  Wichtige Inhalte  und Ergebnisse zum „Finanzierungs-Symposiums“ können unter 
          https://www.finanzierungssymposium-spurenstoffe.de  
            abgerufen  werden.  
        Mehr  zur diskutierten Modifikation des Abwasserabgabengesetzes in der  nächsten Notiz … 
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              Für die „Vierte Stufe“  
              die  Abwasserabgabe erhöhen 
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          Das  in den 70er Jahren konzipierte Abwasserabgabengesetz verpflichtet  kommunale und industrielle Kläranlagenbetreiber zur Zahlung einer  Abgabe, die sich an Schadeinheiten für ausgewählte „Zahlparameter“  ausrichtet. Je höher die Frachten an der organischen Restbelastung  sowie an Nährstoffen im geklärten Abwasser sind, desto höher fällt  die Abgabe aus. Bei industriellen Direkteinleitern werden bei der  Abgabenhöhe zusätzlich noch Schwermetalle und  Organochlorverbindungen („AOX“), ggf. auch die Giftigkeit  gegenüber Fischeiern, zugrunde gelegt.  
        Abweichend von dieser  Systematik soll bei der Erhöhung der Abgabe zur Finanzierung des  Ausbaus von Kläranlagen mit vierten Reinigungsstufen  ein Zuschlag  erhoben werden, der sich nach der Zahl der angeschlossenen  Einwohnerwerte (EW) richtet. Also: Je mehr Menschen und  Gewerbebetriebe („Indirekteinleiter“) an eine Kläranlage  angeschlossen sind, desto höher fällt der Zuschlag auf die  Abwasserabgabe aus, so die ersten Denkmodelle. Der Zuschlag wird vom  Kläranlagenbetreiber anschließend auf die Zahler der Abwassergebühr  umgelegt.  
        Sämtliche Details hierzu finden sich noch in der  Diskussion. Im Grundsatz ist die Modifikation des  Abwasserabgabengesetzes (AbwAG) aber schon im Koalitionsvertrag der  GroKo festgeschrieben worden. Moniert wird allerdings, dass ein  derart gestalteter Zuschlag keinerlei quellenbezogene Lenkungswirkung  entfalten würde. Die Hersteller von spurenstoffhaltigen Produkten  wären aus dem Schneider. Eine Anreizwirkung könnte ein Zuschlag auf  die Abwasserabgabe allerdings auf die kommunalen Kläranlagenbetreiber  ausüben: Denn wer eine „Vierte Reinigungsstufe“ baut, soll nicht  nur einen aus der Abwassergabe finanzierten Zuschuss bekommen.  Erwogen wird, dass der Abgabenpflichtige für die Laufzeit des  Betriebs der „Vierten Stufe“ von der Zahlung des Zuschlags auf  die Abwasserabgabe befreit werden könnte. 
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              Wer ist für eine „Vierte  Stufe“ prädestiniert? 
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          In  Baden-Württemberg bestehen erste Überlegungen, für welche  Kläranlagen der Bau einer „Vierten Stufe“ besonders  empfehlenswert wäre. Bisher funktioniert die Aufrüstung von  kommunalen Kläranlagen in Ba.-Wü. eher nach dem „Lustprinzip“.  Auf 14 Kläranlagen im  Land wird bereits eine „Vierte Stufe“  betrieben. Das reicht von Großkläranlagen wie in Mannheim oder im  Ulm bis hinunter auf eine kleine Kläranlage mit nur 5.000  Einwohnerwerten auf der Schwäbischen Alb. Wer sich freiwillig  gemeldet hat, wurde vom Umweltministerium großzügig gefördert.   
        Künftig soll aber mehr Systematik in die Nachrüstung mit „Vierten  Stufen“ kommen: „Weg  vom Lustprinzip und hin zum Notwendigkeitsprinzip.“ Ein erstes Priorisierungskonzept hat das Stuttgarter  Umweltministerium im Internet unter 
            https://um.baden-wuerttemberg.de/de/umwelt-natur/schutz-natuerlicher-lebensgrundlagen/wasser/abwasser/spurenstoffe/ 
          veröffentlicht.  Danach gibt es in Baden-Württemberg 911 Kläranlagen, von denen 60 %  in ein Fließgewässer einleiten, das bei Niedrigwasser einen  Abwasseranteil von mehr als 10 % aufweist. Die Schwelle für den  Ausbau mit einer „Vierten Stufe“ soll auf einen Abwasseranteil  von mehr als 33 Prozent beim Mittleren Niedrigwasserabfluss (MNQ)  gelegt werden. Zur Diskussion steht aber auch eine 50-Prozent-Zahl.  Empfohlen wird ferner ein Ausbau derjenigen Kläranlagen, die in  empfindlichen Regionen liegen – beispielsweise auf der Schwäbischen  Alb, wo das herkömmlich gereinigte – aber immer noch  spurenstoffträchtige – Abwasser im karstigen Untergrund versickert  und wo dann die Gefahr besteht, dass die schwer abbaubaren  Abwasserinhaltsstoffe in einer zur Trinkwassergewinnung genutzten  Karstquelle wieder auftauchen. Prädestiniert für eine Eliminierung  von Mikroverunreinigungen sind ferner die Kläranlagen im  Einzugsgebiet des Bodensees. Schließlich hängt die  Trinkwasserversorgung des gesamten mittleren Neckarraums und darüber  hinaus von einer einwandfreien Gewässergüte im Bodensee ab.  
        In dem  „Arbeitspapier  Spurenstoffelimination auf kommunalen Kläranlagen in  Baden-Württemberg“  mit Stand vom 20. Nov. 2018 geht man davon aus, dass sich für die  großen baden-württembergischen Kläranlagen über 500.000 EW ein  Ausbau von selbst versteht. In der Summe ergeben sich etwa 125  Kläranlagen, die für einen Ausbau vorgesehen sind. Bei größeren  Kläranlagen wird für den Betrieb der „Vierten Stufe“ mit Kosten  von zwei  bis acht Euro pro Einwohner und Jahr gerechnet. Bei den kleinen  Anlagen könnten Kosten zwischen 12 bis 15 Euro pro Einwohner und  Jahr anfallen. Falls tatsächlich ein Zuschlag zur Abwasserabgabe  eingeführt werden sollte, könnten diese Kosten dann von den  Betreibern einer „Vierten Stufe“ mit dem entfallenden Zuschlag  auf die Abgabe gegengerechnet werden. Bei den Investitionskosten  können die Anlagenbetreiber je nach Größe nach dem jetzigen Stand  mit einem Zuschuss von 20 bis 80 Prozent rechnen.  
          
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       Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
            regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge.
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