Immer wieder werden wir mit  Anfragen von Bürgerinitiativen konfrontiert, die mit Verweis auf das  Verschlechterungsverbot der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ein  unerwünschtes Projekt verhindern wollen. So hat uns letzthin eine BI  gefragt, ob man mit Hilfe der WRRL den vor Ort heftig umstrittenen  Plan für einen neuen Stadtteil zu Fall bringen könnte.  Der  geplante Stadtteil für 15.000 Menschen wird von einem Bach  durchflossen. Die BI vertritt die Auffassung, dass durch den  Neubaustadtteil der Bach eine Verschlechterung erleiden könnte, die  nach der WRRL gar nicht zulässig wäre. Die Planer der Stadt würden  nicht die sicher kommenden Freizeitaktivitäten der BewohnerInnen des  neuen Stadtteils berücksichtigen. Beispielsweise 
      
        „wenn da auf  über einem Kilometer Länge Tausende ‚ihre Füße reinhängen‘  oder sonst was anstellen und der Bach zur Müllzone  (von  Zigarettenstummeln bis Grill- und Gelageresten usw.) wird.“
      
      Unsere  Antwort: 
      ...  Eure Idee ist gut - auf den ersten Blick. Die ‚Philosophie‘ der  WRRL ist aber eine andere: Deren Verschlechterungsverbot greift dann,  wenn der gesamte Wasserkörper bei einer der vier zu  bewertenden biologischen Qualitätskomponenten (Fische,  Wasserpflanzen, Makrobenthosfauna, Kieselalgen) mindestens um eine  Zustandsklasse nach unten rutscht (s. RUNDBR. 1075/2, 1068/1-4). Der  maßgebliche Messpunkt für den Euch betreffenden Wasserkörper liegt  am Hauptfluss weit unterhalb des Bachs mit dem geplanten  Neubaustadtteil. Und bei diesem Messpunkt merkt niemand mehr, „ob  Tausende ihre Füße in den Nebenbach hängen“. Soll heißen:  An einzelnen Stellen des Wasserkörpers sind punktuelle  Verschlechterungen zulässig, wenn sie sich nicht auf den ganzen  Wasserkörper negativ auswirken.
      Umgekehrt  heißt das aber auch, dass die Panikmache des Bundesverbandes der  Deutschen Industrie (BDI) und anderer Industriekreise, dass die WRRL  einen zweiten Morgenthau-Plan zur Deindustrialisierung  Deutschlands darstellen würde, an den Haaren herbeigezogen ist. Der  BDI postuliert, dass in Deutschland keine neue Fabrik mehr errichtet  werden könnte, weil deren Abwassereinleitung ein unzulässiger  Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot der WRRL wäre (s.  RUNDBR. 803/3-4). Aber bei großen Wasserkörpern fallen punktuelle  Verschlechterungen gar nicht auf. Auch hier gilt: Das  Verschlechterungsverbot würde nur dann greifen, wenn durch die  zusätzliche Abwassereinleitung der neuen Fabrik der gesamte  Wasserkörper bei mindestens einer der Qualitätskomponenten um  mindestens eine Stufe nach unten rutschen würde. 
      Die  Wasserwirtschaftsverwaltungen in den Bundesländern haben in der  ersten Hälfte der Nullerjahre mit Absicht äußerst große  Wasserkörper mit einem Einzugsgebiet von jeweils hunderten  Quadratkilometern ausgewiesen. Absicht war, „bewirtschaftbare  Wasserkörper“ zu erreichen. Mit „bewirtschaftbaren  Wasserkörpern“ wollte man sich in den Umweltministerien der  Bundesländer den Freiraum verschaffen, punktuelle Eingriffe und  Verschlechterungen zuzulassen, ohne gleich mit dem  Verschlechterungsverbot der WRRL in Konflikt zu geraten (s. RUNDBR. 1068/1).