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2. Juni 2020

 

 

 

 

 

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief, 16. Mai 2020

Planungssicherstellungsgesetz:
Der Erörterungstermin fällt bis 2021 flach

 

In jedem großen Planfeststellungsverfahren ist der Erörterungstermin der Höhepunkt - egal ob es um ein Hochwasserrückhaltebecken, eine Gewässerrenaturierung oder um ein neues Pumpspeicherkraftwerk geht. Im Erörterungstermin treffen die Antragsteller, die „Träger öffentlicher Belange“ und die Gegner/Skeptiker des jeweiligen Projektes „auf offener Bühne“ aufeinander. Durch den Austausch der Argumente kann sich die Planfeststellungsbehörde ein umfassendes Bild von den Schwächen und Stärken des beantragten Projektes machen. Wenn nur nach Aktenlage und auf der Basis von schriftlichen Eingaben entschieden würde, wäre die Sache einfach nicht rund! Genau das ist jetzt aber vom Bundestag im Schnellverfahren am 14. Mai 2020 im „Plansicherstellungsgesetz“ beschlossen worden: Zwecks Corona-Prophylaxe wurde der Erörterungstermin bis Ende März 2021 komplett gestrichen und durch eine Online-Konsultation ersetzt.

Klar ist, dass eine Internet-Konsultation nie die Authenzität eines Erörterungstermins ersetzen kann. Der BBU hatte deshalb dafür plädiert, die Erörterungstermine nur bis zum 1. Sep. 2020 auszusetzen und dann je nach Entwicklung der Corona-Lage neu zu entscheiden, wie es mit den Erörterungsterminen weitergehen könnte. Ärgerlich ist nicht nur, dass die Regierungsfraktionen diesen Vorschlag komplett ignoriert haben. Ärgerlich ist auch der ganze Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens. Die Aussetzung des Erörterungstermins - und damit auch einer effektiven Bürgerbeteiligung - wurde im Schnelldurchgang ohne gründliche Beratungen und ohne Sachverständigenanhörung beschlossen.

 

Die Aussetzung des Erörterungstermins
im Schnelldurchgang

Per Pressemitteilung vom 15.05.20 kritisierte der BBU, dass die Aussetzung des Erörterungstermins in praktisch allen umweltrelevanten Genehmigungsverfahren im Hauruckverfahren beschlossen worden ist:

Dass der Umweltbewegung keine Chance gelassen werden sollte, ihre Positionen zu vertreten, wird an der strategischen Zeitplanung deutlich. Der erste Entwurf des Gesetzes wurde den Verbänden am Freitag, den 24.4.2020 gegen 16.00 Uhr übermittelt. Die Abgabefrist für Stellungnahmen war Montag, der 27.4.2020, 12.00 Uhr mittags. Durch die Fristsetzung machte die Bundesregierung bereits deutlich, dass Stellungnahmen unerwünscht sind. Mit Datum vom 5.5.2020 brachten CDU/CSU und SPD eine noch einmal verschlechterte Version des Gesetzentwurfes ein, der zur Sitzung des Innen-ausschusses am 13.5.2020 eine weitere Verschlechterung erfuhr. Auf dieser Sitzung wurde beschlossen, dass es die sonst übliche Sachverständigenanhörung zu derartig schwerwiegenden Gesetzen nicht geben wird. Ein Antrag der LINKEN auf Durchführung der üblichen Sachverständigenanhörung wurde nicht nur von CDU/CSU und SPD abgelehnt. Entscheidend waren vielmehr die Enthaltungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, die damit verhinderten, dass das notwendige Quorum von 25 % erreicht wurde. Damit haben sich auch FDP und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN eindeutig gegen die Interessen der Umweltbewegung gestellt. Denn Vertreter aus der Umweltbewegung bekamen durch den Wegfall der Sachverständigenanhörung gar nicht die Chance, dort ihre Position darzulegen.“

Das in kürzester Frist durchgezogene Gesetzgebungsverfahren zum Plansicherstellungsgesetz ist leider kein Einzelfall. Es häufen sich Gesetzge-bungsverfahren zu umweltrelevanten Gesetzen, bei denen den interessierten Kreisen wegen der Kürze des Verfahrens gar keine Zeit mehr bleibt, Stellung zu beziehen.

 

Plansicherstellungsgesetz:
Aushöhlung der Bürgerbeteiligung
 

In seiner Stellungnahme zum Entwurf des Plansicherstellungsgesetzes hat der BBU u.a. festgestellt, dass der Erörterungstermin „das Herzstück umweltrechtlicher Verfahren“ darstellen würde. § 5 Abs. 1 des Planungssicherstellungsgesetzes würde es jetzt erlauben, den Erörterungstermin komplett entfallen zu lassen oder durch eine Online-Konsultation zu ersetzen. § 5 Abs. 2 des Gesetzes würde die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Umweltverbände an umweltrechtlichen Verfahren „in extremer Weise“ aushöhlen und „sie faktisch zur Farce“ machen. Der BBU kritisiert besonders, dass das für einen leibhaftigen Erörterungstermin typische „Wechselspiel zwischen Einwendenden und Antragsteller bzw. Gutachtern“ im Rahmen einer online-Konsultation nicht mehr möglich sein wird (siehe Kasten).

Die gesamte Stellungnahme des BBU kann unter
https://bbu-online.de/Stellungnahmen/
BBU-Planungssicherstellungsgesetz.pdf

nachgelesen werden. Der Kritik des BBU hatten sich bis zum Bundestagsentscheid am 14.05.20 annähernd 50 Bürgerinitiativen und Verbände angeschlossen.

 

Was mit dem Wegfall des Erörterungstermins
alles verloren geht

In seiner Kritik am Entwurf des Gesetzes, das jetzt im Schweinsgalopp durchgezogen worden ist, schreibt der BBU u.a.:

Der Erörterungstermin dient der umfassenden Klärung des Sachverhalts und soll den Einwendenden Gelegenheit geben, ihre Einwendungen zu erläutern, die Antragstellerseite intensiv zu befragen, Widersprüche und Defizite in den Antragsunterlagen aufzuzeigen und Versagensgründe für die Genehmigung oder einen Planfeststellungsbeschluss aufzuzeigen. Die Antragstellerseite hat die Gelegenheit, Unklarheiten auszuräumen und notwendige Erläuterungen abzugeben. Es handelt sich um ein kontradiktorisches Verfahren einer Besprechung, bei der viele Aspekte zwischen Einwenden und Antragstellern in vielfacher Rede und Gegenrede von Einwendenden, Antragstellern und Sachverständigen innerhalb eines jeden Tagesordnungspunktes behandelt werden. Diese Form des Diskurses führt zu einer Darstellung des Sachverhaltes aus allen denkbaren Blickwinkeln und ermöglicht der Behördeeine objektive Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit sowie den Ausgleich widerstreitender Interessen. (…) Idealerweise dient der Erörterungstermin auch der Konsensfindung.“

 

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
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