Mehrere Dutzend Chemikalien  sind in der EU-Trinkwasserrichtlinie (s. RUNDBR. 1186/1-2, 1175/2,  1045/1-2) abschließend limitiert. Es kommen aber immer neue  Schadstoffe in Umlauf, bei denen die EU-Kommission noch keinen  vollständigen Überblick hat, ob diese Stoffe im Trinkwasser der  Mitgliedsstaaten überhaupt ein Problem darstellen. Solche  Schadstoffe kommen zunächst mal auf eine Beobachterliste  („Watchlist“). Am 19. Januar 2022 hat die EU-Kommission die  Watchlist für möglicherweise trinkwasserrelevante Schadstoffe mit  zwei endokrin wirksamen Substanzen („Pseudo-Hormonen“ oder „endokrinen Disruptoren“) neu aufgesetzt: 
      Spätestens ab  dem 12. Januar 2023  müssen die EU-Mitgliedsstaaten das Auftreten  von Beta-Estradiol (siehe Kasten) und von Nonylphenol (s.  ebenfalls Kasten) in ihren jeweiligen Roh- und Trinkwässern  überwachen. Sollte sich auf Grund der breit angelegten Überwachung  herausstellen, dass beide Substanzen in den Roh- und Trinkwässern der Mitgliedsstaaten häufig nachzuweisen sind, können für beide  Stoffe in der EU-Trinkwasserrichtlinie Grenzwerte aufgenommen werden. 
      Für  die Überwachung der Oberflächengewässer gibt es eine eigene  Watchlist, auf der auch Beta-Östradiol schon seit Jahren gelistet  ist (s. RUNDBR. 1148/4, 1136/3, 1121/1). Die  »Oberflächengewässer-Watchlist« basiert auf der Richtlinie über  Umweltqualitätsnormen (UQN), eine Tochterrichtlinie zur  EG-Wasserrahmenrichtlinie. Wenn sich die Kandidaten auf der Watchlist  als besonders kritisch, weitverbreitet und als relevant erwiesen  haben, können sie als „prioritär gefährliche Stoffe“ mit einem Immissionsgrenzwert in die UQN-Richtlinie überführt  werden. Nonylphenol ist in der UQN-Richtlinie schon seit langem als „prioritär gefährlicher Stoff“ aufgeführt.
        
      
        
          
            Was hat es mit Estradiol und Nonylphenol auf  sich? 
             Estradiol ist ein  körpereigenes Hormon und gehört gleichzeitig als synthetisch  hergestelltes Arzneimittel zu den wichtigsten Wirkstoffen zur  Empfängnisverhütung (in Form der „Pille“) und zur  Hormonbehandlung in und nach den Wechseljahren. Estradiol ist schon  in sehr niedrigen Konzentrationen biologisch wirksam. Der alles  andere als triviale Nachweis des Hormons wird in dem Report  „Östrogene im Wasser – Screening und Risikobewertung für  Europa“ näher erläutert. Der Bericht des schweizerischen  Ökotoxzentrums kann abgerufen werden unter 
            https://www.oekotoxzentrum.ch/news-publikationen/news/oestrogene-im-wasser-screening-und-risikobewertung-fuer-europa/ 
            Nonylphenole werden lt.  Wikipedia hauptsächlich für die Herstellung von Nonylphenolethoxylaten (NPEO) verwendet, die wiederum als nichtionische Tenside z. B. in Waschlösungen eingesetzt werden. Zudem ist es in Fungiziden, Arzneimitteln,  Weichmachern für Celluloseester,  Farben und Lacken sowie in Polymeren oder Klebstoffen enthalten. In  Kläranlagen werden die NPEO wieder zu Nonylphenolen abgebaut. In der  aquatischen Umwelt haben die Nonylphenole eine hormonelle Wirkung in  dem sie an den Estrogenrezeptor anbinden. Damit sorgen die  Nonylphenole u.a. für eine „Verweiblichung“ von Fischmännchen.  
             Wir gehen mal davon aus, dass  Beta-Estradiol und Nonylphenol allenfalls im Trinkwasser von Kommunen  auftauchen können, die aus Uferfiltrat oder direkt aus  abwasserbelasteten Oberflächengewässern mit Trinkwasser versorgt  werden. 
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