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14. April 2023

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WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief Nr. 1202, 29.3.2023

 

Englisches Trinkwasser:
Ein Genuss für ausländische Investoren

 

Die Wasserver- und Abwasserentsorgung in England befindet sich inzwischen zu über 70 Prozent in den Händen ausländischer Investmentgesellschaften. Das ergibt sich aus einer Analyse, die der GUARDIAN zusammengestellt und am 30.11.22 unter dem Link

https://www.theguardian.com/environment/ng-interactive/2022/nov/30/englands-water-the-worlds-piggy-bank?CMP=greenlight_email

veröffentlicht hat. In animierten Schaubildern zeigen die RechercheurInnen des GUARDIAN, welche externen Investoren Gewinne aus den großen Wasserunternehmen in England ziehen. Die Wasserver- und Abwasserentsorgung war unter der „Eisernen Lady“ gleich zu Beginn ihres neoliberalen Feldzugs in den 80er Jahren privatisiert worden. Die ehemals kommunalen Unternehmen waren damals zu 15 großen Gesellschaften zusammengefasst und an die Börse gebracht worden (s. RUNDBR. 827/3, 782/1-2, 777/1, 764/2-3, 580/2-3, 537/1).

Die Unternehmen betreiben in der Regel sowohl die Trinkwasserver- als auch die Abwasserentsorgung in ihren jeweiligen Claims. Inzwischen stehen diese Unternehmen größtenteils unter der Kontrolle von Offshore-Investoren. Wie der GURARDIAN schreibt, sind die Besitzverhältnisse bei einigen der Unternehmen derart verschachtelt, dass der normale Wasserkunde in England gar nicht mehr erkennen kann, wer eigentlich in den USA, in Kanada, Hongkong, Australien oder in den Emiraten von seinem Wasserbezug profitiert.

Der GUARDIAN kritisiert, dass das undurchschaubare Konglomerat an zwischengeschalteten Gesellschaften jegliche Transparenz der tatsächlich stattfindenden Geldflüsse verhindert. Die Argumentation der befragten Investoren läuft darauf hinaus, dass es mit den zwischengeschalteten Unternehmen zu Gunsten der KundInnen einfacher und günstiger sei, für die notwendigen Investitionen in die Wasser- und Abwasserinfrastruktur die erforderlichen Kredite bereit zu stellen. Fazit: Lesenswert! Oder wie ein Aktivist von „Wasser in Bürgerhand“ kommentierte: „Kapitalinteressen sind Kapitalinteressen, sind Kapitalinteressen … usw. usw.“

Das finanzielle Engagement von angeblich seriösen Pensionsfonds in den englischen Wasserwirtschaftssektor habe nicht verhindert, dass es zu einem Verfall der Infrastruktur komme und die notwendigen Investitionen verschleppt würden – zu Lasten der Umwelt und der KundInnen (s. nachfolgende Notiz). Die nicht unerheblichen Strafzahlungen, die die englische Regulierungsbehörde OFWAT (s. RUNDBR. 1045/2) gegenüber den privaten Wasserkonzernen ob ihrer umweltkriminellen Machenschaften verhängt, hätten an der rein renditeorientierten Geschäftspolitik der Wasserunternehmen nicht sonderlich viel geändert. „Solange die CEOs zwischen 350.000 und 3 Mio. Pounds verdienen, no problem.“ Wobei – nebenbei bemerkt - die englischen Wasserkonzerne mittlerweile zu etwa 40 Prozent von Frauen geführt werden.

Englische Wasserkonzerne pumpen
Abwasser immer noch ins Meer

 

Als man sich in Brüssel und Bonn um die Jahrtausendwende aufmachte, um zu schauen, wie man den englischen „Erfolg“ bei der Privatisierung der Wassergesellschaften auf den Kontinent übertragen könnte, wurde gegenüber skeptischen Zeitgenossen immer wieder betont: „Die Privatisierung der Wasserver- und Abwasserentsorgung in England ist weit besser als ihr Ruf!“ Argumentiert wurde mit einer besseren Effizienz unter privater Führung im Vergleich zu verschnarchten Stadtwerkegesellschaften.

Jetzt sind seit der Privatisierung im Jahr 1989 mehr als drei Jahrzehnte verstrichen. Wer aber derzeit die Suchbegrifflichkeit „Englische Wasserkonzerne - Abwassereinleitungen ins Meer“ in eine Suchmaschine eintippt, findet u.a. beeindruckende Videos von wahrlich gigantischen, braun gefärbten Abwasserfahnen, die ins offene Meer hinausdriften. Die Ursache: Wenn es stark regnet, ist die marode Kanalisation in England vielerorts immer noch hoffnungslos überlastet: Über rund 15.000 Notentlastungen wird dann ein Gemisch aus originärem Abwasser und Regenwasser in Flüsse oder direkt ins Meer gepumpt. Die Folge: Strände müssen für Badegäste gesperrt und Surfer vor krankmachenden Abwasserfahnen im Meer gewarnt werden. Besonders schlimm war es im Jahr 2022 im Monat August, als über Dutzende von Stränden Badewarnungen verhängt werden mussten. Die Entschuldigung der Abwasserunternehmen: Es liegt am Klimawandel, der zu einer nicht mehr beherrschbaren Überlastung der Kanalisationen durch Starkregenereignisse führe.

Angesichts der öffentlichen Empörung konnten die Umwelt- und Regulierungsbehörden in England diese Entschuldigung aber nicht länger akzeptieren. Zwar würden sich Michwasserentlastungen bei Starkregenereignissen nie vollständig vermeiden lassen – aber manche Notentlastungen würden bis zu 200 Mal im Jahr anspringen. Aufgeschreckt durch Protestaktionen der „Surfer against Sewage“ und andere Gruppierungen hatte die konservative Regierung im August 2022 versprochen, den englischen Wasser- und Abwasserkonzernen ein über die kommenden 25 Jahre gestrecktes Investitionsprogramm in Höhe von 56 Mrd. Pfund (66 Mrd. Euro) aufnötigen zu wollen. Damit sollen die im Zerfall befindlichen Kanalisationen saniert werden.

Eine treffenderweise als Top of the Poops bezeichnete interaktive Internetseite führt zum Beispiel anhand der Daten der Umweltagentur und der Wasserwerke auf, dass im vergangenen Jahr in England und Wales 432.000-mal Abwässer eingeleitet wurden, davon 16.000-mal ins Meer und mehr als 400.000-mal in Flüsse. (…) Da an vielen Orten Messgeräte nicht funktionieren oder nicht einmal angebracht wurden, muss vermutet werden, dass die Einleitungen sogar noch umfangreicher sind“,

hatte DIE ZEIT am 23.08.22 unter

https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-08/grossbritannien-kloake-straende-abwasser-duerre?utm_referrer=https%
3A%2F%2Fwww.google.com%2F

berichtet. Und dazu gab es dann auch gleich eine Unmenge von Kommentaren von LeserInnen. Aufgefallen ist uns vor allem der folgende User-Kommentar:

Seit der Privatisierung haben die Firmen 76 Mrd. an Dividende ausgeschüttet. Wahrscheinlich bezahlt aus den 58 Mrd. Schulden, die sie aufgenommen haben. Dafür haben sie auch die Preise um 40% Prozent erhöht. Wie war das noch mit den Wasserwerken in Großbritannien? Wurden die nicht unter Thatcher privatisiert, damit privates Kapital für die nötigen Investitionen mobilisiert werden kann? Tja, sieht so aus, als hätten die privaten Eigner vor allem an Dividendenausschüttungen gedacht und das Investieren irgendwie vergessen. Wenn jetzt ein Investitionsstau von 400 bis 700 Milliarden Euro auffällt, dann weiß man auch ungefähr, wie viel Geld die Privatwirtschaft hier abgezweigt hat, ohne ihren Aufgaben nachzukommen.“


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.
Clip-Fisch 2

 
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