Im Wasserrecht ist man stolz  darauf, dass man mit dem sogenannten Bewirtschaftungsermessen über  das „schärfste Schwert“ im Umweltrecht verfügt: Auch wenn ein  Antragsteller alle Vorgaben einhält, kann die Behörde in einer  ganzheitlichen Betrachtung den Antrag ablehnen, wenn die Risiken für  den Gewässerschutz letztlich doch zu groß sein könnten. In allen  anderen Umweltrechtsbereichen ist es so, dass man als Antragsteller  einen Rechtsanspruch auf eine Genehmigung hat, wenn alle  Anforderungen und Grenzwerte eingehalten werden („gebundene  Genehmigung“).
       Unterschiedlichen Lobbygruppen war das  Bewirtschaftungsermessen in § 12 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) schon  immer ein Dorn im Auge. Jetzt hat Matteo  Gentile in seinem Aufsatz „Die Ausgestaltung der  Regelungen über Erlaubnisse und Bewilligungen im  Wasserhaushaltsgesetz“ einen erneuten Versuch unternommen, um  am Bewirtschaftungsermessen zu rütteln. 
      In der Fachzeitschrift Natur  und Recht (NuR 2024/46) aus dem Spingerverlag schreibt der  Mitarbeiter des Lehrstuhls für öffentliches Recht an den Uni  Bielefeld auf den S. 83-89, dass es wegen der (umfassenden)  Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme nach den Vorgaben der  EG-Wasserrahmenrichtlinie gar keine Notwendigkeit mehr für das  Bewirtschaftungsermessen geben würde. Denn durch die  Maßnahmenprogramme würden den darunter fallenden  Gewässerbenutzungen von vornherein die gewässerökologische „Unbedenklichkeit attestiert“. Ein Verzicht auf das  Bewirtschaftungsermessen in § 12 (WHG) sei deshalb spätestens in  der letzten großen WHG-Novelle im Jahr 2009 fällig gewesen. Und  noch weitergehender fordert der offenbar sehr neoliberal inspirierte  Autor,
      
        „den  gebotenen ökologischen Gewässerschutz ebenso wie überhaupt die  Notwendigkeit staatlicher Gewässerbewirtschaftung kritisch (zu)  hinterfragen“, um „dabei auch die ökonomische Planungssicherheit für die Benutzer  neu auszuloten.“
      
      Die  Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung in § 14 WHG  sollten nach Ansicht des Juristen ebenfalls entrümpelt werden. Denn  § 14 WHG bestimmt, dass es für Abwassereinleitungen allenfalls  eine (jederzeit widerrufbare) Erlaubnis, aber keine rechtlich  hochstehende Bewilligung geben darf. Zu dieser Einschränkung meint  der Jurist, dass „durch moderne Standards insbesondere das  Schadenspotenzial von Abwasser mittlerweile auf ein Minimum gesenkt  werden könne“. Gentile  fordert demzufolge, dass Abwassereinleitungen und Wasserentnahmen  rechtlich identisch behandelt werden sollten. Wenn beispielsweise  Wasserversorger für Grundwasserentnahmen eine Bewilligung erhalten  könnten, könne man diesen Anspruch den Abwassereinleitern nicht  streitig machen, zumal auch Wasserentnahmen geeignet sein könnten, „große (Umwelt-)Schäden herbeizuführen“. Die  Ungleichbehandlung von Abwassereinleitungen und Wasserentnahmen bei  der Erteilung von Bewilligungen sei „überholt“ und „aus  verfassungsrechtlichen Erwägungen (Art 3. Abs. 1 Grundgesetz)  bedenklich“. 
      (Mehr Infos zu den Auseinandersetzungen um das   Bewirtschaftungsermessen in den RUNDBR. Nr. 1188/S.2-3,  1128/3,  1079/2-3, 1006/4, 961/1 und 895/2.)
      Siehe auch die VOLLTEXTSUCHE in der linken blauen Spalte)