aktualisiert:
20. Juli 2006

 

 

 

 

 

 

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  Recht und Unrecht  


WasserInBürgerhand!

BBU-Wasserrundbrief Nr. 827 vom 1.7.2006

Mit der „Solidargemeinschaft“
für den Anschlusszwang

 

 

Ein unter den vielen Streitfällen um den Anschluss- und Benutzungszwang besonders exemplarisches Beispiel wird derzeit in einem kleinen Schwarzwaldtal ausgefochten. Dort musste ein Landwirt für den beabsichtigen Neubau seines Bauernhofes die bislang ungeordneten Abwasserverhältnisse auf Vordermann bringen. Der Landwirt beschloss, Nägel mit Köpfen zu machen und schaffte sich eine High-Tech-Membrankläranlage an. Das optimal geklärte Abwasser beabsichtigte der Landwirt teilweise als Brauchwasser auf seinem landwirtschaftlichen Anwesen zu verwenden. Der Überschuss an gereinigtem Abwasser würde mit der Gülle seiner Kühe auf den Weiden aufgebracht. Abwasser zur Entsorgung würde somit gar nicht mehr anfallen. Mit diesem Reinigungs- und Verwertungskonzept war die Gemeinde jedoch nicht einverstanden. Das Bürgermeisteramt besteht gegenüber dem Landwirt ultimativ auf dem Anschluss- und Benutzungszwang und lehnte einen Befreiungsantrag des Landwirts ab. Maßgebend für die Entscheidung des Bürgermeisters war der Verweis auf die „Solidargemeinschaft“ der An-schlussnehmer, aus der man sich nicht mit individuellen Verfahren der Abwasserreinigung ausklinken dürfe. Im Ablehnungsschreiben heißt es hierzu u.a.:

„Für die Gemeinde bedeutet jede Befreiung aber ein Weniger an Beitrags- und Gebühreneinnahmen; Einnahmen, welche im Gesamtkonzept über die gerade neu beschlossene Globalberechnung einkalkuliert sind. Da für die Gemeinde somit die zu erbringende Aufwendungen [für den Ausbau der Kanalisation; Anm. Red.] gleich bleiben, die zu erwartenden Einnahmen aber niedriger ausfallen würden, müsste der 'Fehlbetrag’ von den verbleibenden Gebührenzahlern, der so genannten 'Solidargemeinschaft’, zusätzlich aufgebracht werden, was unter Umständen zu einer erheblichen Belastung entweder der restlichen Gebührenzahler oder aber der gesamten Bürgerschaft über höhere Gemeindesteuern führen würde, sollte der Fehlbetrag nicht über eine 100-prozentige Kostendeckung im Bereich Abwasser, sondern aus allgemeinen Mitteln aufgebracht werden.“

 

Befreiung vom Anschlusszwang: „Keine Präzedenzfälle!“

 

In ihrem zuvor zitierten Ablehnungsbescheid verweist das Bürgermeisteramt zudem darauf, dass bei einer Akzeptierung des Befreiungsantrages ein folgenschwerer Präzedenzfall geschaffen würde. Bei einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang „wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dies Nachfolgeanträge von künftig Anschlusspflichtigen mit sich bringen würde“. Dadurch käme schließlich das gesamte Abwasserbeseitigungskonzept ins Wanken: Während einige Grundstücksbesitzer auf individuelle Kleinkläranlagen setzen könnten, würden andere Grundstücksbesitzer „weiterhin den Anschluss an die Gemeindekanalisation einer dezentralen Lösung vorziehen“. Das Abwasserbeseitigungskonzept würde damit durchlöchert und könnte nicht mehr wirtschaftlich umgesetzt werden.

Anschlusszwang: Auf Armut oder Reichtum kommt es nicht an!

 

In ihrem Ablehnungsbescheid unterstreicht die Gemeinde, dass es bei der wirtschaftlichen Zumutbarkeit des Anschlusszwangs auf „die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Anschlusspflichtigen nicht ankomme“. Die mit dem Anschlusszwang verbundenen Zielsetzungen seien von der Dicke des Sparbuches des Landwirtes unabhängig. Unter Verweis auf einen Beschluss des OVG Lüneburg vom 17.09.01 (s. RUNDBR. 684/4) hebt die Gemeinde hervor, dass der Anschluss an die Kanalisation „seiner Natur nach grundstücks- und nicht personenbezogen“ sei. Eine Befreiung vom Anschlusszwang könne also nicht mit einer eventuell schlechten Kassenlage des Anschlusspflichtigen begründet werden, sondern einzig und allein „aus einer besonderen und außergewöhnlichen Lage oder Situation des Grundstücks“. Verwiesen wird ferner auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20.06.94 (BWGZ 1995, 33), dass ein Anschluss nur dann wirtschaftlich nicht mehr zumutbar sei, wenn auf Grund der Abgelegenheit des Grundstücks die Anschlusskosten 40.000 DM (heute ca. 20.000 Euro) überschreiten würden. Im vorliegenden Fall würden die Anschlusskosten aber nur ca. 11.000 Euro betragen.

Super-Reinigungsgrad der Kleinkläranlage bedeutungslos!

 

Bei seinem Begehren, vom Anschlusszwang verschont zu werden, hatte der Landwirt argumentiert, dass mit seiner Membrankläranlage das Abwasser besser gereinigt werde als in der kommunalen Kläranlage. Zudem würde wegen der Verwertung des gereinigten Abwassers als Brauchwasser gar kein Abwasser zur Einleitung mehr anfallen. In ihrem Ablehnungsbescheid argumentiert die Gemeinde demgegenüber, dass es auf einen mögli-cherweise exzellenten Reinigungsgrad der Membrankläranlage gar nicht ankomme. Denn eine Befreiung sei nach der kommunalen Abwassersatzung (AbwS) nur dann möglich, wenn der Anschluss nicht zumutbar sei und die Befreiung wasserwirtschaftlich als unbedenklich angesehen werden könne. Da aber - wie oben erläutert - der Anschluss dem Landwirt wirtschaftlich zugemutet werden könne, brauche die wasserwirtschaftliche Unbedenklichkeit der individuellen Lösung erst gar nicht mehr geprüft werden - denn:

„Die Frage, ob eine Befreiung wasserwirtschaftlich unbedenklich wäre, kann somit dahin gestellt bleiben. Da § 5 AbwS als Bedingung für eine Befreiung sowohl die Unzumutbarkeit als auch die wasserwirtschaftliche Unbedenklichkeit einfordert , ist es für die Ablehnung einer Befre-ung bereits ausreichend, wenn eines der beiden Tatbestandsmerkmale verneint wird.“

Abwasserreinigung nach eigener Facon kommt nicht in die Tüte!

 

Fazit des Ablehnungsbescheides: Auf die Durchsetzung des Anschlusszwangs könne die Gemeinde nicht verzichten, weil damit ein Präzedenzfall geschaffen würde, der letztlich zum Zerbröckeln der Solidargemeinschaft führen könne. Eine Anschluss- und Gebührengerechtigkeit sei dann nicht mehr zu gewährleisten. Solange die Anschlusskosten im Bereich des wirtschaftlich Zumutbaren lägen, komme es auch nicht darauf an, dass die individuelle Lösung möglicherweise preisgünstiger und in der Reinigungswirkung effizienter als der Anschluss sei. Zum Erhalt zentraler Infrastruktureinrichtungen sei vorrangig zu garantieren, dass die Solidargemeinschaft als Ganzes erhalten werde. Demzufolge könne man sich nicht einfach aus der Solidargemeinschaft ausklinken, in dem man sich eine Membrankläranlage anschaffe - zumal dies auch noch ohne Absprache mit der Gemeinde erfolgt sei. Der Landwirt will den Klageweg beschreiten; der RUNDBRIEF wird über den Fortgang der Auseinandersetzung berichten.



Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.

 



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