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                Der Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments hat
              am 4. Okt. 2006 die Gerichtsurteile des Europäischen Gerichtshofes
              gegen sogenannte Inhouse-Geschäfte sanktioniert - und sich
              somit wenig beeindruckt vom zuvor erwähnten Votum des EU-Parlaments
              gezeigt. Während man sich im Parlament auf einen wachsweichen,
              in vielerlei Hinsicht auslegbaren Kompromiss einließ, beherzigte
              der Wirtschaftsausschuss eine knallharte wettbewerbsorientierte
              Gangart: Ebenso wie die EuGH-Richter war der Wirtschaftsausschuss
              der Meinung, dass Kommunen Dienstleistungsaufträge künftig
              EU-weit ausschreiben müssen. Dazu würde beispielsweise
              auch die Konzessionsvergabe für die Wasserversorgung gehören
              (siehe Kasten). Die Vergabe an einen Partner ihres Vertrauens
              dürfe ohne vorhergehende Ausschreibung nicht zulässig
              sein. Als „Partner des Vertrauens“ fungierten bislang
              meistens sogenannte privat-public-partnerships (ppp) - also gemischtwirtschaftliche
              Unternehmen, an denen die Kommune in der Regel mit 51 Prozent des
              Aktienkapitals beteiligt ist. Der EuGH hat in seinen Urteilen -
              beispielsweise im Halle- und im Brixen-Urteil - darauf hingewiesen,
              dass die Vergabe eines Dienstleistungsauftrages an eine ppp-Gesellschaft
              keine Vergabe innerhalb der Kommune (innerhalb des Hauses, deshalb „Inhouse-Geschäft“)
              darstellt. Ein ausschreibungsfreies „Inhouse-Geschäft“ komme
              nur dann in Frage, wenn die kommunale Tochtergesellschaft zu 100
              Prozent im Besitz der Kommune ist (Halle-Urteil) - und wenn die
              Kommune außerdem tatsächlich die vollkommene Verfügungsgewalt über
              diese Tochtergesellschaft hat (Brixen-Urteil).  
              Der EP-Wirtschaftsausschuss
                pflichtete diesbezüglich voll dem EuGH zu und zog noch zwei
                weitere Sperren gegen eine vergabefreie Auftragserteilung an ppp-Gesellschaften
                ein: Als ausschreibungsfreie „In-house-Geschäfte“ könnten
                nur Vergaben angesehen werden, die sich auf Tätigkeiten „streng
                lokaler Natur“ beziehen würden. Zudem dürften die
                Dienstleistungsaufträge „keine Beziehung zum europäischen
                Binnenmarkt aufweisen“. Ferner unterstrich der Wirtschaftsausschuss,
                dass ppp-Gesellschaften „keinesfalls mit dem Ziel
                gegründet werden“ dürften, „die Staatsverschuldung
                zu verschleiern, wie das Beispiel von Ungarn gerade belege“.
                Mit der rigiden Beschränkung von ppp-Geschäften war der
                Wirtschaftsausschuss mit Mehrheit dem Votum des Berichterstatters,
                dem CDU-Abgeordneten WERNER LANGEN, gefolgt. Nach Überzeugung
                des Ausschusses dürfe aus seinem Votum nicht abgeleitet werden,
                dass jetzt eine Re-Kommunalisierung von ppp-Gesellschaften angesagt
                wäre (s. RUNDBR. 819/2). Eine Re-Kommunalisierung
                sei „keine
                sinnvolle Alternative zur wettbewerbsgerechten Ausgestaltung
                von öffentlich-privaten Partnerschaften“.  
              Der Deutsche
                  Städtetag hat sich angesichts des Durchmarsches von LANGEN & Co.
                  durch die EU-Institutionen einigermaßen alarmiert gezeigt.
                  Ge-genüber dem MANNHEIMER MORGEN vom 6.10.06 forderte der
                  Städtetag, dass Auftragsvergaben an halbkommunale ppp-Gesellschaften
                  weiterhin ausschreibungsfrei gestellt werden müssten (s.
                  819/2-3). Die „großen Erfolge“, die man bislang
                  mit gemischtwirtschaftlichen Unternehmen erzielt habe, dürften
                  von der EU nicht zu Grunde gerichtet werden. 
                             
              
                
                  
                       
                          Ein Beispiel zur Nichtigkeit  
                          von „Inhouse-Geschäften“ 
                       Um die EuGH-Urteile
                          und das Votum des EP-Wirtschaftsausschusses verständlicher
  zu machen, erfinden wir einmal folgendes Beispiel:  
                      Mit der Wasserversorgung
                          hat eine Kommune bislang ihre Stadtwerke AG betraut,
                          an der die Kommune zu 51 Prozent
    des Aktienkapitals beteiligt ist. Weitere 49 Prozent des Aktienkapitals hält
    die THÜGA - eine EON-Enkelin, die sich auf den Erwerb von Minderheitsbeteiligungen
    an Stadtwerken spezialisiert hat. Die Konzession für die Wasserversorgung
    läuft im nächsten Jahr aus und würde selbstredend wieder an
    die Stadtwerke AG vergeben. 
                      Das käme aber nach
                          Ansicht der EuGH-Richter und des EP-Wirtschaftsausschusses
                          nur dann in Frage, wenn die Stadtwerke
      zu 100 Prozent
      im Besitz der Kommune wären. Wegen des 49 Prozent-Anteils der THÜGA
      würde es sich nicht um ein ausschreibungsfreies „Inhouse-Geschäft“ handeln.
      Der Auftrag für die Trinkwasserversorgung müsste also EU-weit
      ausgeschrieben werden. 
                       
                                        
                   
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            Dass sich das „Halle-Urteil“ zum „Todesstoß für öffentlich-private
Partnerschaften“ entwickeln könnte, befürchtete der Bundesverband
der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) bereits in seinem Infodienst „perspektiven“ 2/05
vom Okt. 2005. Nach Ansicht des BDE führe „die unflexible Formulierung
des EuGH“ zu ppp-Gesellschaften nicht zu einem Mehr an Wettbewerb, „sondern
zu einer drohenden Rekommunalisierung bei Entsorgungsdienstleistungen“.
Und dieser Gefahr seien alle öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP)
ausgesetzt: 
              
                „Denn die Kommunen stehen
                      letztlich bei allen bestehenden oder künftigen ÖPP
      vor der Entscheidung, ob sie ein langwieriges Ausschreibungsverfahren mit
                      unbekanntem Ausgang wählen oder die Entsorgung wieder
                      selbst übernehmen.“ 
                             
               Wer sich kontinuierlich über
                  die Sorgen der Privatisierungslobby angesichts der ambivalenten
                  Entwicklungen in der EU zu ppp-Gesellschaften informieren
    will, kann den pdf-Infodienst des BDE kostenlos abonnieren beim 
               Bundesverband der deutschen
                    Entsorgungswirtschaft e.V. (BDE) 
  Tempelhofer Ufer 37,                    10963 Berlin 
                    Tel. 030 5900335-0; Fax 030 5900335-99 
                    E-Mail: info@bde-berlin.de 
                    www.bde-berlin.de 
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