aktualisiert:
27. November 2006

 

 

 

 

 

 

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  Recht und Unrecht  


WasserInBürgerhand!

 

aus dem BBU-Wasser-Rundbrief
Nr. 835 vom 8. Oktober 2006

„Inhouse-Geschäfte“ kommen nicht in die Tüte!
Städtetag entsetzt!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Der Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments hat am 4. Okt. 2006 die Gerichtsurteile des Europäischen Gerichtshofes gegen sogenannte Inhouse-Geschäfte sanktioniert - und sich somit wenig beeindruckt vom zuvor erwähnten Votum des EU-Parlaments gezeigt. Während man sich im Parlament auf einen wachsweichen, in vielerlei Hinsicht auslegbaren Kompromiss einließ, beherzigte der Wirtschaftsausschuss eine knallharte wettbewerbsorientierte Gangart: Ebenso wie die EuGH-Richter war der Wirtschaftsausschuss der Meinung, dass Kommunen Dienstleistungsaufträge künftig EU-weit ausschreiben müssen. Dazu würde beispielsweise auch die Konzessionsvergabe für die Wasserversorgung gehören (siehe Kasten). Die Vergabe an einen Partner ihres Vertrauens dürfe ohne vorhergehende Ausschreibung nicht zulässig sein. Als „Partner des Vertrauens“ fungierten bislang meistens sogenannte privat-public-partnerships (ppp) - also gemischtwirtschaftliche Unternehmen, an denen die Kommune in der Regel mit 51 Prozent des Aktienkapitals beteiligt ist. Der EuGH hat in seinen Urteilen - beispielsweise im Halle- und im Brixen-Urteil - darauf hingewiesen, dass die Vergabe eines Dienstleistungsauftrages an eine ppp-Gesellschaft keine Vergabe innerhalb der Kommune (innerhalb des Hauses, deshalb „Inhouse-Geschäft“) darstellt. Ein ausschreibungsfreies „Inhouse-Geschäft“ komme nur dann in Frage, wenn die kommunale Tochtergesellschaft zu 100 Prozent im Besitz der Kommune ist (Halle-Urteil) - und wenn die Kommune außerdem tatsächlich die vollkommene Verfügungsgewalt über diese Tochtergesellschaft hat (Brixen-Urteil).

Der EP-Wirtschaftsausschuss pflichtete diesbezüglich voll dem EuGH zu und zog noch zwei weitere Sperren gegen eine vergabefreie Auftragserteilung an ppp-Gesellschaften ein: Als ausschreibungsfreie „In-house-Geschäfte“ könnten nur Vergaben angesehen werden, die sich auf Tätigkeiten „streng lokaler Natur“ beziehen würden. Zudem dürften die Dienstleistungsaufträge „keine Beziehung zum europäischen Binnenmarkt aufweisen“. Ferner unterstrich der Wirtschaftsausschuss, dass ppp-Gesellschaften „keinesfalls mit dem Ziel gegründet werden“ dürften, „die Staatsverschuldung zu verschleiern, wie das Beispiel von Ungarn gerade belege“. Mit der rigiden Beschränkung von ppp-Geschäften war der Wirtschaftsausschuss mit Mehrheit dem Votum des Berichterstatters, dem CDU-Abgeordneten WERNER LANGEN, gefolgt. Nach Überzeugung des Ausschusses dürfe aus seinem Votum nicht abgeleitet werden, dass jetzt eine Re-Kommunalisierung von ppp-Gesellschaften angesagt wäre (s. RUNDBR. 819/2). Eine Re-Kommunalisierung sei „keine sinnvolle Alternative zur wettbewerbsgerechten Ausgestaltung von öffentlich-privaten Partnerschaften“.

Der Deutsche Städtetag hat sich angesichts des Durchmarsches von LANGEN & Co. durch die EU-Institutionen einigermaßen alarmiert gezeigt. Ge-genüber dem MANNHEIMER MORGEN vom 6.10.06 forderte der Städtetag, dass Auftragsvergaben an halbkommunale ppp-Gesellschaften weiterhin ausschreibungsfrei gestellt werden müssten (s. 819/2-3). Die „großen Erfolge“, die man bislang mit gemischtwirtschaftlichen Unternehmen erzielt habe, dürften von der EU nicht zu Grunde gerichtet werden.


Ein Beispiel zur Nichtigkeit
von „Inhouse-Geschäften“

Um die EuGH-Urteile und das Votum des EP-Wirtschaftsausschusses verständlicher zu machen, erfinden wir einmal folgendes Beispiel:

Mit der Wasserversorgung hat eine Kommune bislang ihre Stadtwerke AG betraut, an der die Kommune zu 51 Prozent des Aktienkapitals beteiligt ist. Weitere 49 Prozent des Aktienkapitals hält die THÜGA - eine EON-Enkelin, die sich auf den Erwerb von Minderheitsbeteiligungen an Stadtwerken spezialisiert hat. Die Konzession für die Wasserversorgung läuft im nächsten Jahr aus und würde selbstredend wieder an die Stadtwerke AG vergeben.

Das käme aber nach Ansicht der EuGH-Richter und des EP-Wirtschaftsausschusses nur dann in Frage, wenn die Stadtwerke zu 100 Prozent im Besitz der Kommune wären. Wegen des 49 Prozent-Anteils der THÜGA würde es sich nicht um ein ausschreibungsfreies „Inhouse-Geschäft“ handeln. Der Auftrag für die Trinkwasserversorgung müsste also EU-weit ausgeschrieben werden.


 



 

ppp-Urteile: Privatisierungslobby
befürchtet Rekommunalisierung


 

Dass sich das „Halle-Urteil“ zum „Todesstoß für öffentlich-private Partnerschaften“ entwickeln könnte, befürchtete der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) bereits in seinem Infodienst „perspektiven“ 2/05 vom Okt. 2005. Nach Ansicht des BDE führe „die unflexible Formulierung des EuGH“ zu ppp-Gesellschaften nicht zu einem Mehr an Wettbewerb, „sondern zu einer drohenden Rekommunalisierung bei Entsorgungsdienstleistungen“. Und dieser Gefahr seien alle öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) ausgesetzt:

„Denn die Kommunen stehen letztlich bei allen bestehenden oder künftigen ÖPP vor der Entscheidung, ob sie ein langwieriges Ausschreibungsverfahren mit unbekanntem Ausgang wählen oder die Entsorgung wieder selbst übernehmen.“

Wer sich kontinuierlich über die Sorgen der Privatisierungslobby angesichts der ambivalenten Entwicklungen in der EU zu ppp-Gesellschaften informieren will, kann den pdf-Infodienst des BDE kostenlos abonnieren beim

Bundesverband der deutschen Entsorgungswirtschaft e.V. (BDE)
Tempelhofer Ufer 37, 10963 Berlin
Tel. 030 5900335-0; Fax 030 5900335-99
E-Mail: info@bde-berlin.de
www.bde-berlin.de

 


Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet regelmäßig über die Angriffe auf die kommunale Daseinsvorsorge. Interessierte können kostenlose Ansichtsexemplare anfordern.



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