„Weitere  Bewirtschaftungszyklen über 2027 hinaus sind also auf jeden Fall  erforderlich.“ 
        
        Das ist das Fazit eines sich über 12 Seiten  hinziehendes Aufsatzes der beiden Wasserdirektoren von Bayern und von  Rheinland-Pfalz in der Korrespondenz  Wasserwirtschaft 7-2020, S. 356 - 368. Erwin  Manz (Rh.-Pf.), Martin  Grambow (Bayern) und Mitautoren fordern in dem grundlegenden  Aufsatz „Die Wasserpolitik im Anthropozän“, dass die  EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) über 2027 hinaus in einem  kontinuierlichen Prozess weitergeführt werden müsse. Dazu sollte „ein  neues System von Etappenzielen oder Detailzielen  vereinbart werden“. Denn die Fristsetzungen der WRRL seien „keine Gott gegeben Ziele“. Deshalb müsse eine Diskussion  über die Fristsetzungen „möglich bleiben“. Die Forderung  der WRRL nach einem „guten Zustand“ sei zwar „hochgradig  begründet, die Fristen dagegen nicht unbedingt“. Als  Begründung für ihre Forderung nach weiteren Bewirtschaftungszyklen  über 2027 hinaus führen die Autoren die hinlänglich bekannten  Hemmnisse bei der Umsetzung an. Um diese Hemmnisse abzubauen, fordern  die beiden Abteilungsleiter Wasserwirtschaft in den Umweltministerien  in München und Mainz als erstes:
        
          „Ausreichende  Ressourcenbereitstellung durch angemessene Personal- und  Mittelausstattung bei den verantwortlichen Stellen.“
        
        Im  Grunde genommen sei es aber das „Anthropozän“, dass die  fristgerechte Umsetzung der WRRL verhindert habe - und künftig noch  weiter erschweren würde (siehe Kasten). Als in den späten 1990er  Jahren die WRRL konzipiert worden sei, habe man die Negativfolgen der  menschgemachten Eingriffe in den Naturhauhalt noch nicht in voller  Breite überblicken können. Allerdings sei die WRRL mit ihrem  zyklischen Ansatz hervorragend geeignet, mit den wachsenden  Unsicherheiten umzugehen. Die alle sechs Jahre erfolgende Überprüfung  der Zielerreichung würde immer neue Möglichkeiten eröffnen, auf   zunächst  nicht  durchschaubare  Entwicklungen  in der aquatischen Umwelt durch nachsteuernde Maßnahmen zu  reagieren. Insofern bestehe auch kein Grund, die Ziele („guter  Zustand“) abzusenken - allerdings müsse der Prozess „weit  über das Jahr 2027 - dem Datum, nach dem gemäß WRRL die  Bewirtschaftungsziele für alle EU-Gewässer spätestens erreicht  sein sollen - fortgesetzt werden“ (vgl. RUNDBR. 1161/1-4, 1160/1).
        
          
          Dass von führenden Vertretern  der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) die Bedrohungslage durch  das Anthropozän neuerdings anerkannt wird, stößt zumindest bei  einigen Umweltverbandsver-tretern auf positive Resonanz: Wenn  Juristen und Wasserbauer, die den Kurs der LAWA bestimmen, in dem  „Anthropozän-Aufsatz“ erstmals und kompromisslos den  dramatischen Klimawandel und Ressourcenverbrauch anerkennen, sei das  ein „Paradigmenwandel“. Das solle durchaus honoriert  werden. Andere Aktive in der Wasserszene der Umweltverbände (und  darüber hinaus) sind eher skeptisch: Könnte es sein, dass man mit  Verweis auf das alles bestimmende Anthropozän auch die schleppende  Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie entschuldigen kann?
        
          
            
                   
                    
                     
                  WRRL: Wird die  Zielerreichung   
                      von Zyklus zu Zyklus  unwahrscheinlicher? 
                   In dem zuvor genannten Aufsatz  blicken die Autoren skeptisch in die Zukunft: 
                   „Generell muss jedem klar  sein, dass wir durch die Primär- und zunehmend Sekundärfolgen - des  Anthropozäns zukünftig in einer Umwelt agieren werden, die  zunehmend von derjenigen abweicht, an die sich unsere aquatischen  Systeme über Jahrtausende angepasst haben. In Zukunft könnten die  Folgen des Klimawandels und andere Folgen des Anthropozäns ein  bisher unbekanntes Ausmaß erreichen (Kipppunkte) und die Wirkung  umgesetzter Maßnahmen überlagern. Dies deute sich in manchen Teilen  Deutschlands bereits an.“ 
                   Es steht zwar nicht direkt in  dem Aufsatz, aber im vis-a-vis-Gespräch äußern einige  Wasserdirektoren die Vermutung, dass sich der Zustand der Gewässer  in Deutschland und in der EU trotz aller Anstrengungen nicht  verbessern, sondern verschlechtern wird. Grund sei vor allem  die sich rasant verschärfende Klimakrise, die viele Erfolge im  Gewässerschutz wieder ins Negative drehen könnte. Die daran  geknüpfte Befürchtung: Gegenüber der Politik, den Medien und der  Öffentlichkeit werde sich die WRRL immer schlechter „verkaufen“  lassen, weil viele kostspielige Anstrengungen im Gewässerschutz  immer weniger in einen „guten Zustand“ münden werden. 
                    
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